Rede von Sven-Christian Kindler Irland: Vorzeitige Kreditrückzahlungen an IWF, Dänemark und Schweden

21.11.2017

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Irland möchte vorzeitig und vollständig seine Schulden beim IWF und bei Dänemark und Schweden tilgen. Wir Grünen sagen klar: Wir unterstützen das.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Dafür gibt es zwei Gründe:

Erstens. Es hilft auch dem irischen Staat und der irischen Bevölkerung, liebe Linkspartei, wenn Irland 150 Millionen Euro mehr in der Kasse hat, weil Zinskosten gespart wurden. Das wird der Bevölkerung helfen; das unterstützen wir Grüne sehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Es verbessert auch die Schuldentragfähigkeit. Das ist auch im Interesse des deutschen Bundeshaushalts.

Zweitens – ich finde, das sollte auch für die Linkspartei ein Argument sein – löst sich Irland damit von der finanziellen Abhängigkeit vom Internationalen Währungsfonds.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grüne haben immer gesagt, dass Europa seine Probleme alleine lösen kann; dafür braucht man keine Troika und keinen IWF. Deswegen werden wir diesem Antrag heute zustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, liebe SPD, es ist richtig: Irland ist ein Land, dessen Geschäftsmodell auch auf Steuerdumping beruht.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja!)

Wir haben die Europäische Kommission dabei unterstützt, dass sie gegen Apple so vorgegangen ist. Das war richtig von der Europäischen Kommission.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber, Kollege Schneider, man muss jetzt zwei Dinge bedenken:

Erstens. Ist es wirklich realistisch, dass durch diesen Move im Deutschen Bundestag, den die SPD jetzt vorschlägt, Irland sein Geschäftsmodell aufgibt? Wegen 150 Millionen Euro? Sie wissen selber, dass das nicht realistisch ist.

(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ulli Nissen [SPD]: Einen Versuch ist es aber wert!)

– Sie sagen, einen Versuch sei es wert. Zugegeben, es ist kein schlagkräftiges Argument, etwas nur deshalb zu unterlassen, weil es völlig unrealistisch ist.

Zweitens finde ich aber, die SPD sollte sich die Frage stellen: Ist das, was Sie machen, verantwortlich? Sie müssen sich einmal die Situation in Deutschland klarmachen: Gerade ist eine Regierungsbildung gescheitert. Ganz Europa blickt auf Deutschland. Kollege Dürr hat zu Recht schon darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung ressortabgestimmt, also mit den Stimmen der SPD, gesagt hat: Wir werden diesen Antrag in den Bundestag einbringen, und wir wollen dem nachher auch auf europäischer Ebene zustimmen. – Gleichzeitig will sich die SPD-Fraktion vom Acker machen und nicht zu ihrer europäischen Verantwortung stehen. Ich finde das nicht glaubwürdig, liebe SPD.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Es wird nicht besser!)

Die Zeit ist für billige Oppositionsspielchen einfach zu ernst. Die SPD muss sich schon entscheiden: Will sie Regierung sein, will sie Opposition sein oder irgendetwas dazwischen? Entscheidet euch bitte, was ihr machen wollt!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Liebe SPD und liebe CDU/CSU, Sie machen hier die große Geschichte des Steuerdumpings auf. Ich frage mich nur: Was hat diese Bundesregierung eigentlich in den letzten vier Jahren gegen Steuerdumping, gegen Steuerbetrug, gegen Steuerhinterziehung gemacht? Wo ist denn das Transparenzregister? Das ist nicht da. Wo ist denn das Country-by-Country Reporting? Das ist nicht da. Wo war die scharfe Antwort auf die LuxLeaks und auf die Panama Papers? Wir haben eine geschäftsführende Bundesregierung, die noch im Amt ist. Wo ist die scharfe Reaktion auf die Paradise Papers, der scharfe Aktionsplan? Ich sehe hier nichts von der SPD und von der CDU/CSU.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde das, was die SPD heute beantragt, ehrlich gesagt, ziemlich wohlfeil. Diese Untätigkeit der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD in den letzten vier Jahren hat Europa viel Geld gekostet. Dieses Geld fehlt den europäischen Steuerzahlern, den europäischen Staaten und der Europäischen Union für gemeinsame Investitionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für Klimaschutz, für Digitales und für Bildung. Wir Grüne haben immer sehr klar gesagt: Eine harte Sparpolitik wird Europa nicht aus der Krise führen. Wir brauchen jetzt mehr Geld für Europa für gemeinsame Investitionen. Deswegen braucht es einen europäischen Kurswechsel in der Finanzpolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben wir in den Sondierungen auch sehr hart dafür gestritten, dass man Europa auch institutionell weiterentwickeln muss. Dabei sind wir an zentrale Blockaden bei der FDP, bei der CDU und bei der CSU gestoßen. Trotzdem finde ich, dass Europa jetzt eine Antwort von Deutschland verdient, – von dieser Bundesregierung, die geschäftsführend im Amt ist, und von diesem Bundestag. Wir müssen jetzt die Chance nutzen, die ausgestreckte Hand von Emmanuel Macron zu ergreifen, Ja zu einer Weiterentwicklung der Euro-Zone und einer Wirtschafts- und Währungsunion zu sagen und klarzumachen, dass Europa für die Zukunft gut aufgestellt werden muss.

Das ist unsere Zukunft. Deswegen lassen Sie uns gemeinsam aktiv werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)