Rede von Katja Keul Jahresabrüstungsbericht 2017

19.04.2018

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst das Positive: Gut, dass es diesen Abrüstungsbericht gibt, und gut, dass wir darüber reden. Für uns Grüne steht außer Frage, dass Abrüstungsbemühungen heute notwendiger sind denn je. Auch die Bundesregierung betont im Bericht immer wieder ihre Besorgnis über die aktuelle Aufrüstungsspirale. Gleichzeitig ist aber das Schweigen der Bundesregierung unüberhörbar, wenn es darum geht, den Abzug der Atomraketen aus Deutschland durchzusetzen oder den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterstützen. Dabei hatten wir doch 2010 alle gemeinsam hier im Bundestag genau dies beschlossen. Heute betont die Bundesregierung nur noch, dass ein Engagement im Rahmen der bestehenden Verträge und Systeme erfolgen soll. In Zeiten erodierender Vertragsgrundlagen ist das aber nicht genug.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Bei Atomwaffen heißt der Status quo nämlich Modernisierung und Investitionen in Milliardenhöhe. Deutschland liefert dazu noch das Spaltmaterial für die US-Atomraketen. Aus Sicht meiner Fraktion ist das der falsche Weg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Auch Steinmeier hatte 2016 als Außenminister völlig zu Recht neue Initiativen angemahnt. Ich hoffe doch sehr, dass Sie, Herr Maas, sich davon nicht verabschieden wollen.

(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Wir brauchen dringend neue vertrauensbildende Maßnahmen, gerade dann, wenn wir den INF-Vertrag retten wollen. Das Misstrauen gegenüber Russland, was die Reichweite der SSC-8-Raketen betrifft, ist bislang ebenso wenig ausgeräumt wie das Misstrauen der Russen gegenüber dem US-Raketenabwehrsystem, das möglicherweise auch mit Offensivsprengkörpern versehen werden kann. Dass der Raketenabwehrschirm die Aufrüstungsspirale massiv befeuert, haben wir Grünen schon seit Jahren kritisiert. Bevor wir aber der Diskussion über neue Mittelstreckenraketen in Europa freien Lauf lassen, könnte Deutschland beispielsweise gegenseitige Inspektionen ins Spiel bringen. Voraussetzung für jede Art von vertrauensbildenden Maßnahmen ist aber erst einmal, dass man den politischen Willen dazu hat. Da habe ich inzwischen doch einige Zweifel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

In der Fragestunde der letzten Sitzungswoche vor Ostern hat Außenminister Maas in Bezug auf die vorgeschlagenen Inspektionen gesagt, er würde davor warnen, irgendwelche Deals mit der russischen Seite zu machen. Das ist doch wirklich allerhand.

(Beifall der Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Eine solche Äußerung stellt den gesamten Abrüstungsbericht infrage. Mit wem wollen Sie denn Abrüstungsverträge schließen, wenn nicht mit Russland? Mit sich selbst?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es gibt leider nicht mehr sehr viele funktionierende Verträge, auf die man zurückgreifen könnte. Der KSE-Vertrag über die konventionelle Abrüstung liegt seit Jahren auf Eis, weil sich beide Seiten stur gestellt haben. Jetzt gilt es, wenigstens den Vertrag über den Offenen Himmel zu retten – das letzte Vertragswerk, das noch regelmäßig praktiziert wird. Stellen Sie bitte sicher, dass der deutsche Beitrag in Form eines Flugzeuges auch wirklich „fliegt“. Lange genug haben die Mitglieder des Unterausschusses Abrüstung gemeinsam darauf gedrängt, dass dieses Flugzeug endlich angeschafft wird. Es ist auch gut, dass wir uns jetzt endlich geeinigt haben, dass es auch den Unterausschuss wieder geben wird. Ich fing schon langsam an, mir Sorgen zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch gegen die im Bericht genannten Gefahren durch Streumunition und Antipersonenminen könnte die Bundesregierung mehr tun, indem sie endlich ein entsprechendes Investitionsverbot auf den Weg bringt. Das Förderungsverbot in § 18a Kriegswaffenkontrollgesetz müsste ausdrücklich auf Investitionen in Unternehmen erstreckt werden. Damit müsste verhindert werden, dass derartige Investitionen auch noch steuerlich gefördert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen entsprechenden Antrag hatten wir bereits im Jahr 2011 gemeinsam mit der Fraktion Die Linke und übrigens auch gemeinsam mit Ihnen, liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, hier eingebracht.

Die Bundesregierung will sich laut Bericht für die Ächtung letaler automatischer Waffensysteme einsetzen; das finde ich gut. Allerdings wollen Sie bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr anschaffen. Ja, ich weiß: Das sind keine automatischen Waffensysteme. Dennoch spricht viel gegen bewaffnete Drohnen. Sie werden in der Praxis überwiegend illegal und völkerrechtswidrig außerhalb von Militäreinsätzen verwendet, und zwar mehr von Geheimdiensten als von regulären Streitkräften. Unsere Bundeswehr hat wirklich andere Probleme mit ihrer bestehenden Ausrüstung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die SPD war im Sommer vor der Bundestagswahl noch tapfer gegen die Anschaffung. Jetzt lese ich: Der Vertrag soll in den nächsten sechs Wochen unterzeichnet werden.

Zu guter Letzt kann ich Ihnen nicht ersparen, darauf hinzuweisen: Auch die Rüstungsexporte zahlen auf die Negativbilanz der Bundesregierung ein. Dass wir seit Jahren mehr Kriegswaffen an Drittstaaten als an Bündnispartner liefern, widerspricht Ihren eigenen Grundsätzen und gefährdet zunehmend deutsche Sicherheitsinteressen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch Bündnispartner, die völkerrechtswidrige Angriffskriege gegen Nachbarstaaten führen und Menschenrechte im eigenen Land missachten, dürfen solche Kriegswaffen nicht erhalten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir Grünen haben Ihnen an dieser Stelle schon mehrfach unsere Vorschläge für ein verbindliches Rüstungsexportkontrollgesetz vorgestellt. Besonders konstruktiv finde ich den neuen Vorschlag des Präsidenten des BAFA, Exportgenehmigungen künftig zeitlich zu befristen. Dann könnte bei einer veränderten Sicherheitslage auch kein angeblicher Vertrauensschutz mehr greifen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Kriegswaffenkontrollgesetz sieht zwar schon heute vor, dass Genehmigungen jederzeit widerrufen werden können; die Praxis zeigt aber, dass die Bundesregierung quasi nie davon Gebrauch macht.

Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“. Auch wenn Sie, Herr Maas, erklärtermaßen nicht wegen Willy Brandt in die SPD eingetreten sind, so will ich doch sehr hoffen, dass gerade die SPD die Entspannungspolitik nicht einfach aufgibt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)