Rede von Merle Spellerberg Jahresbericht 2023 der Wehrbeauftragten

Merle Spellerberg
25.04.2024

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt viele Punkte des Berichtes, die ich hier gerne ansprechen würde, doch ich möchte mich heute auf einen Punkt konzentrieren.

13 Prozent, das ist laut Jahresbericht der Wehrbeauftragten der Anteil der Frauen in den Streitkräften der Bundeswehr. Die meisten von ihnen dienen in der Sanität. 6 Prozent, das ist laut einer Umfrage der Anteil von Frauen zwischen 16 und 29 Jahren, die sich im Jahr 2022 einen Dienst in der Bundeswehr vorstellen konnten. Zwei Jahre zuvor waren es noch mehr als doppelt so viele. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir noch weit entfernt von den 20 Prozent, die sich das BMVg ab 2024 als Zielmarke gesetzt hat.

Der Anteil von Frauen in den obersten Führungspositionen ist leider ähnlich ernüchternd und lässt sich an exakt zwei Händen abzählen; denn es sind zehn Soldatinnen, allesamt Ärztinnen im Sanitätsdienst. Das BMVg führt dies darauf zurück, dass Frauen erst seit 2001 Soldatinnen sein können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der inzwischen über 23 Jahre, in denen Frauen auch den Dienst an der Waffe ausüben können, ist dieses Argument meiner Meinung nach kaum noch haltbar.

In meinen Gesprächen mit Soldatinnen und den Gleichstellungsbeauftragten wird eines immer wieder klar: Es muss ein grundlegendes Umdenken und strukturelle Änderungen in der Bundeswehr geben. In diesem Kontext wundere ich mich nicht über die niedrigen Zahlen. Denn wenn Kinderbetreuung immer noch als Frauensache gilt, wenn männliche Kameraden an den Fähigkeiten von Soldatinnen, insbesondere in Führungspositionen, zweifeln, wenn sexualisierte Gewalt und Übergriffe nicht immer angemessen untersucht und verfolgt werden und Konfliktsituationen in den meisten Fällen zur Versetzung der Frauen führen, dann wundert man sich nicht.

Wir müssen mehr tun. Wir brauchen eine gelebte Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Dienst in der Bundeswehr und entsprechende Strukturen. Auch Soldaten muss vermittelt werden, dass sie Elternzeit nehmen können, und zwar nicht nur durch das Ansparen von Stunden auf Langzeitkonten. Ihnen muss vermittelt werden, dass auch sie Verantwortung für Sorgearbeit tragen können. Es braucht familienfreundlichere Arbeitszeit- und Karrieremodelle, auch und gerade in Zeiten von Landes- und Bündnisverteidigung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Wehrbeauftragte hat es ausgeführt: In anderen Bereichen hingegen – das sollte man anerkennen – zeigt der Bericht wichtige Fortschritte und Erfolge auf – ein Zeichen, dass die Zeitenwende nicht nur auf dem Papier steht. Für die wertvolle und wichtige Arbeit der Wehrbeauftragten möchte ich mich ganz herzlich bei ihr und ihrem Team bedanken – in puncto Gleichstellung durchaus ein Vorbild für das BMVg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich freue mich, weiterhin gemeinsam am Wohl unserer Soldatinnen und Soldaten zu arbeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Vielen Dank, Frau Spellerberg. – Jetzt hat Hannes Gnauck das Wort für die AfD.

(Beifall bei der AfD)