Merle Spellerberg
20.04.2023

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier, aber auch in der breiten Gesellschaft, viel über den 24. Februar 2022, über die viel zitierte Zeitenwende, über behäbige Beschaffungsprozesse, über fehlende Panzer und weiterhin fehlende Helme. Dabei sind es doch die Bürger/-innen in Uniform, für die wir als Parlament eine ganz besondere Verantwortung tragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

2022 war ein Jahr, in dem sich die Breite der Gesellschaft damit beschäftigt hat, wie wichtig eine funktionsfähige Bundeswehr für unsere Sicherheit ist. Denn der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat an allererster Stelle die Ukrainer/-innen hart getroffen. Er hat aber eben auch enorme Auswirkungen auf unsere Bundeswehr.

Mit dem Verteidigungsausschuss konnten wir diese Woche Montag selber mit der Truppe über die Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten in Deutschland und über die Abgabe von Material an die Ukraine sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, uns alle eint die Hochachtung vor dem, was die Bundeswehr hier leistet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Kerstin Vieregge [CDU/CSU])

Mein Dank gilt den Soldatinnen und Soldaten, die sich für den Frieden in Europa einsetzen, indem sie ukrainische Soldatinnen und Soldaten schulen und mit ihrem Einsatz unser Bündnis stärken. Und mein Dank gilt auch den Soldatinnen und Soldaten, die in den Auslandseinsätzen für Demokratie und für Sicherheit einstehen. In Mali und Niger stabilisiert die Bundeswehr weiterhin eine enorm schwierige Sicherheitslage im Rahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Im Irak bildet sie Sicherheitskräfte vor Ort aus. Im Mittelmeer überwacht sie das Waffenembargo gegen Libyen. Dies sind nur einige der wichtigen Beiträge der Bundeswehr zum internationalen Krisenmanagement.

Über dieses Engagement schreibt auch die Wehrbeauftragte in ihrem Bericht. Der Bericht zeigt Fortschritte und Herausforderungen auf, aus denen sich für mich eine klare politische Priorität ableitet – wir haben in den vergangenen Reden dazu schon etwas gehört –: Wir brauchen gute Arbeits- und Lebensbedingungen für die Angehörigen der Bundeswehr, aber auch für ihre Familien – gerade im Kontext der Einsätze zur Landes- und Bündnisverteidigung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Sondervermögen: Geld alleine macht die Bundeswehr nicht attraktiver. Wir brauchen effiziente Strukturen. Wir brauchen gute Bedingungen, und – die Wehrbeauftragte hat es bereits angesprochen – wir brauchen auch Gleichstellung in der Bundeswehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es gibt weiterhin kaum Frauen in Führungsebenen. Leider erleben auch Soldatinnen immer noch Sexismus. Die Anzahl der Meldungen von sexualisierter Gewalt innerhalb der Reihen der Bundeswehr ist mit mehr als 50 Fällen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Es bedarf Präventionsarbeit und Bildung, gerade in einem Rahmen wie der Bundeswehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als verantwortungsvolle Arbeitgeberin muss die Bundeswehr die Fürsorge der Soldatinnen und Soldaten gewährleisten und priorisieren.

Frau Dr. Högl, Sie beschreiben es richtig, die Truppe steht vor schwierigen Zeiten: neue Strukturen, Prozesse, Ausbildung, ein möglicher gefährlicher Einsatz von heute auf morgen. Die Kaltstartfähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung, die nun eine Rolle spielt, zehrt an den Soldatinnen und Soldaten und auch an den Familien. Zusätzlich tragen viele Soldatinnen und Soldaten und Veteraninnen und Veteranen nach dem beendeten Einsatz in Afghanistan weiter seelisches und physisches Leid mit sich. Auch mit Beendigung unseres Einsatzes in Mali bleibt es weiterhin wichtig, Prävention zu ermöglichen und Nachsorge zu priorisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Alexander Müller [FDP])

Dazu gehört bei Weitem nicht nur, aber eben auch die Militärseelsorge, und zwar für alle. Die Wehrbeauftragte kritisiert hier zu Recht, dass es für die muslimischen Angehörigen der Bundeswehr noch immer keine eigene Militärseelsorge gibt. Für die mindestens 3 000 muslimischen Soldatinnen und Soldaten müssen wir zeitnah eine gute Lösung finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Weil die Bundeswehr viele unterschiedliche Lebensrealitäten vereint, möchte ich einen weiteren wichtigen Punkt ansprechen – der Minister sagte es bereits –: Der Großteil der Truppe steht auf dem Boden der Demokratie, aber Rechtsextremismus bleibt eine Bedrohung. Alleine 2022 wurden knapp 200 Fälle von rechtsextremer Gesinnung in den Reihen der Bundeswehr dokumentiert. Wir haben erst gestern im Ausschuss über die Razzia bei den Reichsbürgern gesprochen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Rechtsextremismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Aber gerade in unseren Sicherheitsbehörden ist es ein noch größeres Problem aufgrund der Relevanz dieser Institution. Umso wichtiger ist es, dass hier agiert wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Und ich bin dankbar, dass der Bericht der Wehrbeauftragten diese Herausforderung benennt; denn hier muss weiterhin gehandelt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es reicht nicht, den Bericht der Wehrbeauftragten, wie schon häufig passiert, ad acta zu legen; denn der Bericht zeigt auf, was nötig ist, um den militärischen Pfeiler unserer integrierten und breiten Sicherheitspolitik resilient und zukunftsfähig aufzustellen. Denn wir erwarten von unseren Soldatinnen und Soldaten, dass sie im Ernstfall für unser demokratisches, für unser liberales System kämpfen. Im Gegenzug dazu sollten sie sich darauf verlassen können, dass wir uns ausreichend für ihren Schutz einsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Hannes Gnauck.

(Beifall bei der AfD)