Rede von Lisa Paus Jahressteuergesetz

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16.12.2020

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, das Jahressteuergesetz hat wie jedes Jahr Licht und Schatten neben den üblichen notwendigen Anpassungen. Ich fange mit etwas Licht an. Es ist uns gelungen, den schweren Fehler, den die Mehrheit in diesem Hause im Sommer gemacht hat, nämlich das Rückwirkungsverbot bei der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung einzuführen, zu korrigieren. Das Bundesfinanzministerium hat sich geziert, aber es ist uns gelungen, dass die Regelung wieder geändert wird. Damit ist es nicht mehr möglich, dass die Cum/Ex-Straftäter einfach mit dem Geld nach Hause gehen. Vielmehr können sie jetzt rechtlich belangt werden. Ich hoffe, der Fehler ist jetzt repariert. Allerdings fragen wir uns: Warum haben Sie die Regelung am Ende doch noch leicht eingeschränkt? Sie sagen, sie gilt nur für besonders schwere Steuerstraftaten. Das wäre aus unserer Sicht rechtlich nicht notwendig gewesen. Wir haben es mehrfach dargestellt. Wir haben auch einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, den Sie aber nicht angenommen haben; das ist der Schatten an dieser Stelle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Warum haben Sie gegen unseren Antrag gestimmt?)

Ein bisschen weniger Licht und noch viel mehr Schatten gibt es im Bereich Gemeinnützigkeit. Richtig ist: Es hat sich in dem Bereich einiges getan. Aber die nach wie vor existierende massive rechtliche Unsicherheit für Nichtregierungsorganisationen – die Frage ist, was passiert, wenn sie sich politisch betätigen – haben Sie mit dem Gesetz nicht beseitigt, und das ist schlichtweg ein Skandal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir als Grüne wollen endlich eindeutig gesetzlich regeln, dass die Einflussnahme auf die politische Willensbildung grundsätzlich gemeinnützige Zwecke verfolgen darf. Insbesondere Teile der Union haben das abgelehnt mit dem Hinweis: Wieso? Es gebe doch gar kein Problem. – Wenn das tatsächlich so sein sollte: Wir hören definitiv anderes. Seit über zwei Jahren gibt es einen Stillstand. Keiner bewegt sich, weil man unsicher ist. Lassen Sie uns doch gemeinsam einen eindeutigen Anwendungserlass erlassen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ohne Transparenz?)

Dann hätten wir zumindest einen kleinen Schritt in die richtige Richtung getan.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ja, Sie haben den Zweckkatalog um Klimaschutz und um Freifunk ergänzt, aber auch – jetzt wird es ein bisschen eklektisch – um Friedhofspflege. Vor allen Dingen ist völlig unklar, warum Sie ihn nicht ergänzt haben um die Förderung der tragenden Grundsätze unseres Staatswesens wie Demokratie, wie Grund- und Menschenrechte, wie zivilgesellschaftliche Teilhabe und wie soziale Gerechtigkeit. Dazu findet sich nichts in diesem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Cezanne [DIE LINKE])

Licht und Schatten gibt es auch beim Thema Investitionsanreize. Ja, Sie haben beim § 7g Einkommensteuergesetz – Investitionsabzugsbetrag – etwas getan; aber der Investitionsabzugsbetrag hat null – null! – ökologische Lenkungswirkung. Das kritisieren nicht nur wir, sondern das kritisiert auch der Bundesrechnungshof, der Ihnen klar sagt: Damit widersprechen Sie Ihrem eigenen Klimaschutzprogramm 2030.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem hätten wir uns die Ausweitung des Verlustrücktrages gewünscht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das fehlt; dabei wissen wir alle miteinander, dass das wirkungsvoll und zielgenau wäre. Auch darauf gehen wir in unserem Entschließungsantrag ein. Auch das ist eine Leerstelle in diesem Gesetzentwurf.

Nun kommen wir zum Schluss noch zur völligen Dunkelheit: Es gibt nach wie vor nichts zum Thema Share Deals. Seit über einem Jahr liegt der Gesetzentwurf rum.

(Bernhard Daldrup [SPD]: Skandalös!)

Es gibt auch kein Stopfen der kratergroßen Löcher beim Erbschaft- und beim Schenkungsteuerrecht. Herr Döpfner ist mit 1 Milliarde Euro schenkungsteuerfrei nach Hause gegangen; aber dieser Gesetzentwurf sieht keine entsprechende Änderung vor. Da wundert es nicht, dass auch eine Erbschaft von 300 Wohnungen und mehr nach wie vor steuerfrei ist, weil das dann als Unternehmen gilt, obwohl es ein Urteil des BFH dazu gibt; auch da ist keine Änderung vorgesehen.

Das versteht diese Große Koalition unter sozialer Gerechtigkeit. Deshalb ist vielleicht die beste Nachricht: Das ist das letzte Jahressteuergesetz dieser Koalition, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernhard Daldrup [SPD]: Da musst du mal zur Union gucken! Verweigerer! Kaschierer!)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Der nächste Redner: für die Fraktion der SPD der Kollege Michael Schrodi.

(Beifall bei der SPD)