Rede von Lisa Paus Jahressteuergesetz 2020

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08.10.2020

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon gesagt: Wir beraten hier das Jahressteuergesetz, mit dem ganz viele Regeln im Steuerbereich angepasst werden. Von daher ist da viel Licht, aber eben auch Schatten. Bemerkenswert in diesem Jahressteuergesetz ist aber tatsächlich, was fehlt.

Erstens fehlt in diesem Jahressteuergesetz eine Korrektur der Lex Cum/Ex.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Noch im Juni brüstete sich Olaf Scholz damit, er werde durch Gesetzesänderungen dafür sorgen, dass Milliarden an Steuergeldern, die sich Banker, Aktienhändler und Berater mit ihren Cum/Ex-Geschäften ergaunert haben, dem Staat nicht wegen Verjährung verloren gehen. Einen Monat später, im Juli, mussten wir feststellen, dass Olaf Scholz in Teilen genau das Gegenteil gemacht hat. Jetzt gilt: Selbst wenn die Täter verurteilt werden, dürften die beteiligten Finanzfirmen in vielen Fällen ihre Beute behalten – Steuergeld, das ihnen nicht zusteht, womöglich in Milliardenhöhe. Das ist unerträglich, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deswegen fordern wir und fordert der Bundesrat Sie auf: Ändern Sie das in diesem Jahressteuergesetz! Wir haben gestern gelernt: Sie wollen dann irgendwann im Dezember anfangen, es zu ändern. Jetzt müssen wir es ändern; jetzt ist die Zeit, es zu ändern!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Zweite, was fehlt, ist eine Änderung im Gemeinnützigkeitsrecht. Wir brauchen endlich wieder Rechtssicherheit für politisch engagierte gemeinnützige Organisationen. Spätestens seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs zu Attac im vergangenen Jahr hat sich die Lage für gemeinnützige Organisationen dramatisch verschärft. Es wurde langjährigen gemeinnützigen Organisationen plötzlich die Gemeinnützigkeit aberkannt – nicht nur Attac, auch vielen weiteren – oder die Aberkennung angedroht. Seit einem Jahr warten wir auch hier auf ein Gesetz von Olaf Scholz dazu; aber bisher nach wie vor Fehlanzeige. Auch das müssen wir endlich hier im Jahressteuergesetz regeln, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Cezanne [DIE LINKE])

Wir Grüne wollen eindeutig regeln, dass grundsätzlich auch die Einflussnahme auf die politische Willensbildung zu gemeinnützigen Zwecken erfolgen darf. Nicht nur die Förderung des demokratischen Staatswesens, sondern auch die Förderung seiner tragenden Grundsätze wie Demokratie, wie Grund- und Menschenrechte, wie zivilgesellschaftliche Teilhabe oder soziale Gerechtigkeit sollten klar gemeinnützig sein und werden, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bemerkenswert an diesem Jahressteuergesetz ist aber auch, was mal drin war, aber inzwischen gestrichen wurde, zum Beispiel so ein kleiner Punkt wie die Besteuerung von Kapitalerträgen aus Xetra-Gold. Xetra-Gold – das ist die frohe Botschaft an all diejenigen, die hierin investiert haben – bleibt steuerfrei. Im Referentenentwurf war die Besteuerung noch vorgesehen. Offenbar wirkt die AfD nach wie vor auch in diese Koalition hinein, meine Damen und Herren. Das brauchen wir nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Toll, ne?)

Okay ist, was drinsteht. Aber es hakt dann an anderer Stelle, zum Beispiel beim Country-by-Country Reporting. Es gibt in diesem Gesetz eine kleine Änderung in der Abgabenordnung, die gut und überfällig ist. Noch überfälliger ist es jedoch, das Country-by-Country Reporting endlich öffentlich zu machen, also dass Gewinne von internationalen Konzernen nicht mehr nur gesammelt in der Bilanz ausgewiesen werden, sondern in der öffentlichen Bilanz zu erkennen ist, in welchem Land sie welche Gewinne machen, damit aggressive Steuervermeidung wirksam endlich bekämpft werden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der europäische Gesetzentwurf dazu liegt im Ministerrat beschlussreif vor. Aber Minister Scholz, Minister Altmaier und Ministerin Lambrecht blockieren dieses Offenlegungsgesetz. Wir fordern Sie erneut auf: Setzen Sie als Ratspräsident das Gesetz endlich auf die Tagesordnung, und ermöglichen Sie einfach die Abstimmung darüber, meine Damen und Herren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Bevor ich dem voraussichtlich letzten Redner das Wort erteile, möchte ich gerne darauf hinweisen, Herr Kollege Heilmann, dass auch das Telefonieren nicht von der Pflicht, eine Gesichtsmaske zu tragen, entbindet.

Jetzt hat das Wort der Kollege Sebastian Brehm, CDU/CSU.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie haben Herrn Schrodi vergessen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vielleicht noch den SPD-Kollegen zwischendrin!)

– Entschuldigung, ich bitte um Nachsicht. Die Maskenpflicht erfordert so sehr meine Aufmerksamkeit, dass mir ein Fehler unterlaufen ist.

(Heiterkeit)

Herr Schrodi, Sie haben das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU] – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kennen Sie ja als Multitasker!)