Rede von Dieter Janecek Jahreswirtschaftsbericht 2020
Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, vor wenigen Tagen hat Ihr Koalitionspartner – namentlich der Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider – Sie als Problembären für die deutsche Wirtschaft und für die deutsche Energiewende bezeichnet. Ich möchte ihm nicht widersprechen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In Ihre Amtszeit fällt der historische Tiefstand beim Ausbau der Windenergie seit Einführung des EEG vor 20 Jahren.
(Tino Chrupalla [AfD]: Gott sei Dank!)
Gleichzeitig kündigten Sie – so viel Humor muss man erst einmal haben – gestern an, dass wir global eine Vorreiterrolle beim CO-freien Wasserstoff anstreben. Sie scheinen über Zauberkünste zu verfügen: Mit immer weniger erneuerbaren Energien wollen Sie immer mehr grünen Wasserstoff herstellen. Willkommen in der Voodoo-Ökonomie des Peter Altmaier!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir ernsthaft – dieses Ziel verfolge ich wie Sie – Technologieführerschaft bei Wasserstoff, bei Power-to-Gas, bei der Modernisierung der Grundstoffindustrien anstreben wollen – allerdings wäre es auch nicht der richtige Weg, gemäß dem Buch „Das Supermolekül“, das Sie, Herr Theurer, erwähnt haben, eine Technologie sozusagen über alle anderen zu erheben, was Sie uns ja immer vorwerfen –
(Michael Theurer [FDP]: Das machen wir nicht!)
und wenn wir diese Technologien nach vorne stellen wollen, dann brauchen wir eine Verdreifachung des Ausbautempos bei den erneuerbaren Energien. Was Sie liefern, sind Abstandsregelungen, die eine komplette Branche abwürgen. So kann es in Deutschland nicht weitergehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das stimmt überhaupt nicht!)
Wir laufen sehenden Auges in eine Ökostrom- und Versorgungslücke hinein. Damit gefährden Sie auch die Zukunftsfähigkeit unserer Industrie; denn wenn Sie mit der chemischen Industrie, mit den Grundstoffindustrien, mit der Stahlindustrie, der Zementindustrie, der Gipsindustrie, mit deren Vertretern ich heute sprechen werde, reden, dann werden sie Ihnen alle sagen: Wenn wir den Wandel hinkriegen wollen, dann brauchen wir erneuerbare Energien. – Wir kommen da momentan nicht vom Fleck, und dafür sind Sie als Wirtschaftsminister verantwortlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt habe ich auch der Rede von Herrn Pfeiffer zugehört. Sie haben sich zum Thema „Border Adjustment Tax“ geäußert. Die Europäische Kommission geht voran und möchte für den Wandel der Grundstoffindustrie – Bernd Westphal nickt, weil er das Thema auch betreibt – einen Rahmen schaffen. Wir brauchen einen Rahmen, weil die betroffenen Industriebereiche das nicht allein hinbekommen. Sie brauchen Unterstützung, sie brauchen ein Level Playing Field. Jetzt ist die Äußerung aus der CDU/CSU-Fraktion: Wir wollen lieber einen niedrigen Industriestrompreis, als überhaupt darüber zu reden, wie wir als Europäische Union stark sein wollen. – Das ist doch genau der falsche Weg. Wir brauchen ein Konzept, wie wir gemeinsam mit der Industrie vorangehen können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Nicht zugehört! Ich habe etwas ganz anderes gesagt!)
Wenn wir von Planungssicherheit reden, müssen wir feststellen, dass genau dieser Rahmen momentan nicht da ist. Wie sollen denn die Investitionsentscheidungen – es geht um Hunderte von Milliarden Euro, die in diesen Industrien in den 2020er-Jahren investiert werden müssen, um zu modernisieren – getroffen werden, wenn wir nicht entschlossen einen Rahmen setzen?
Das ist die Aufgabe, die ein Wirtschaftsminister anzugehen hat. Sie sind Ankündigungsweltmeister; beim Umsetzen mangelt es eben bei Ihnen. Mit uns als Grüne bekommen Sie den Leitfaden für die ökologische Transformation, die die Wirtschaft braucht. Nur so sichern wir die Arbeitsplätze der Zukunft. Darum geht es.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Sabine Poschmann, SPD, hat als nächste Rednerin das Wort.
(Beifall bei der SPD)