Rede von Omid Nouripour Jemen
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor zehn Jahren sind Tausende und Abertausende mutige Frauen und Männer in Sanaa das erste Mal auf die Straße gegangen, um zu kämpfen und zu demonstrieren für ihre Freiheit, für bessere Lebensbedingungen, für ihre Würde. Zehn Jahre später, heute, sehen wir im Jemen eine humanitäre Katastrophe, die sich in der Tat vielleicht noch mit der in Syrien messen lässt. In Syrien sind im Übrigen über eine halbe Millionen Menschen ums Leben gekommen, in erster Linie in der Verantwortung eines Präsidenten, den die AfD gern besucht hat. Deshalb sind hier die Verhältnisse in der Rede des Kollegen tatsächlich ein wenig aus den Fugen geraten.
(Widerspruch bei der AfD)
Heute sehen wir im Jemen eine humanitäre Katastrophe, die auch vom Iran, von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten massiv befeuert wird. Alle drei begehen dabei Völkerrechtsbruch: der Iran durch die Unterstützung einer illegitimen Regierung der Huthi, Saudi-Arabien durch das massive Verletzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Kriegsführung und die Vereinigten Arabischen Emirate – Herr Kollege Hardt, ich weiß nicht, wo Sie die letzten zwei Jahre waren – durch eine proaktive, auch militärische Unterstützung von Separatismus. Auch deswegen sind das, was Saudi-Arabien und was die Vereinigten Arabischen Emirate dort machen, zwei verschiedene Paar Schuhe. Aber beides ist zu verurteilen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es sind Krankenhäuser, es sind Flüchtlingslager, es sind Schulen, Getreidespeicher, Weltkulturerbestätten bombardiert worden. Menschen verschwinden in geheimen Gefängnissen, werden gefoltert, werden ermordet. Die humanitäre Hilfe wird Tag für Tag behindert. Das ist der Alltag im Jemen. Das ist eine Katastrophe. Und ja, alle begehen Kriegsverbrechen.
Die Lage ist hochkomplex, die Lösung auch; aber es gibt Dinge, die sind nicht so komplex. Dazu gehört der Text des Koalitionsvertrages, dass man an die Staaten, die dort beteiligt sind, keine Waffen liefert. Im Übrigen ist das nicht nur ein Gebot des Koalitionsvertrages; es ist auch ein Gebot der Rüstungsexportrichtlinien dieser Bundesregierung, das endlich einzustellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Die Zahlen sind gewaltig: Rüstungsgüter im Wert von 750 Millionen Euro allein an Ägypten 2020, im Wert von 50 Millionen Euro an die Vereinigten Arabischen Emirate, und es geht einfach so weiter.
Dabei hatte Heiko Maas gesagt, dass der Jemen ein Schwerpunktthema der Mitgliedschaft Deutschlands im VN-Sicherheitsrat sein würde. Wenigstens klar zu benennen, wer alles dort das Völkerrecht bricht, das wäre das Mindeste gewesen, wenn man dort einen solchen Schwerpunkt setzt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Wir sehen ja an der US-Regierung, dass so viel mehr geht. Man sieht ja in den ersten Tagen der Biden-Administration, dass sie schon jetzt weit mehr gewagt hat als die Bundesregierung in den letzten drei Jahren.
Und ja, es ist extrem kompliziert, und wir haben es bei den Huthis mit ganz, ganz schwierigen Akteuren zu tun. Just als Biden erklärt hat, dass die Waffen nicht mehr nach Saudi-Arabien gehen werden, haben die Huthis ihre Offensive in der Provinz Marib verstärkt und weitere Kriegsverbrechen begangen.
(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Saudi-Arabien!)
Quasi als Antwort auf Bidens Angebot des Gespräches. Aber auch das zeigt, dass es nicht ausreichend ist, einfach Geld hinüberzuschieben, Entwicklungshilfe zu leisten und humanitäre Hilfe zu organisieren. Das ist notwendig, aber nicht ausreichend. Man kann nicht einfach die diplomatische Arbeit anderen überlassen. Deutschland muss da weit aktiver werden.
Deshalb noch mal, wie wir es in unserem Antrag auch formulieren: Bitte Druck machen auf den Iran, die Huthis nicht mehr zu unterstützen, Druck machen auf Saudi-Arabien, humanitäre Hilfe ins Land zu lassen, Druck machen auf die Vereinigten Arabischen Emirate, damit die Verhandlungen einheitlicher verlaufen können und die jeminitischen Akteure wieder besser miteinander kooperieren. Und natürlich muss der Internationale Strafgerichtshof mit den zahlreichen Kriegsverbrechen befasst werden, und vor allem müssen die Kriegsverbrecher beim Namen genannt werden. Das ist das, was bisher schlichtweg fehlt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])
Alles das, was ich sage, ist nicht ausreichend, um den Krieg im Jemen zu beenden. Aber das wären wirklich substanzielle Schritte, damit die Menschen, die vor zehn Jahren auf die Straße gegangen sind, eines Tages doch zu ihrem Traum kommen, in Frieden, in Würde und in Freiheit leben zu können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Vielen Dank, Omid Nouripour. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Nikolaus Löbel.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nicht Nikolaus, sondern Nikolas. Entschuldigung. Nikolas Löbel, bitte.