Rede von Dr. Manuela Rottmann Kapitalanleger-Musterverfahren

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

18.09.2020

Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Brandner, die Bundesregierung hat dieses Thema nicht verpennt; Sie haben es verpennt.

(Lachen des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Sie haben in der Anhörung ganz ersichtlich das erste Mal davon gehört. Die Bundesregierung hat deutlich öfter davon gehört; denn wir, die Grünen, stellen seit drei Jahren die Frage, was aus dem KapMuG wird. Von Ihnen habe ich davon noch nichts gehört.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

Das geht auch ein bisschen in Richtung Frau Willkomm. Ich weiß nicht, was das soll: Ihren Antrag heute hier nur ins Plenum einzubringen. Also wenn Sie wirklich ein Interesse daran haben, dann bringen Sie den doch in den Ausschuss ein.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie haben ihn nicht verstanden! Geben Sie es zu!)

Das ist auch kein Ruhmesblatt gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

Die Regierung hat das nicht verpennt, aber wir haben immer nur ausweichende Antworten gekriegt auf unsere Frage, was damit werden soll. Sie tun mir schon ein bisschen leid, Herr Hirte. Herr Fechner ist nicht mehr da; aber der tut mir auch leid. Sechs und sieben Minuten Redezeit hätte ich gerne mal! Sechs und sieben Minuten, Wochen vor dem Außerkrafttreten des Gesetzes, von dem wir seit acht Jahren wissen, dass es am 1. November 2020 außer Kraft tritt, über einen einzigen Satz, nämlich: „Wir verlängern es noch mal um drei Jahre“, reden zu müssen, das ist auch nicht einfach.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE] – Stephan Brandner [AfD]: Also doch verpennt! Habe ich ja gesagt!)

Das Problem ist – jedenfalls gilt das für die Bundesregierung –: Es interessiert Sie nicht, ob Ihre Gesetze in der Praxis funktionieren.

(Mechthild Rawert [SPD]: Na, na, na!)

Es interessiert Sie nicht, dass den engagiertesten Richterinnen und Richtern die Mittel fehlen, um komplexe Anlegerverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und es interessiert Sie schlichtweg nicht, was die Gründe dafür sind, dass in den 15 Jahren des Bestehens des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes kein einziges Leistungsurteil ergangen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Koalition wird einen gewaltigen Reformstau im Wirtschafts- und im Zivilprozessrecht hinterlassen. Damit sind die Justizministerin der SPD genauso wie der Wirtschaftsminister der Union zum Risiko für den Justizstandort Deutschland und zum Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland geworden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Problem ist doch auch, dass Sie immer Ad-hoc-Gesetzgebung machen. Telekom-Skandal: Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz. Und dann guckt man es jahrelang nicht mehr an. Die Einführung der Musterfeststellungsklage: eine hektische Reaktion auf VW. Und dann guckt man sie jahrelang nicht mehr an. Ich frage Sie nach den praktischen Erfahrungen mit dem VW-Vergleich, der ein Aberwitz ist. Das hat Frau Stadler Ihnen in der Anhörung ins Stammbuch geschrieben. Ich lese derart wortlose und uninteressierte Antworten auf die praktischen Fragen der Richterinnen und Richter. Sie haben einfach keine Lust auf dieses Thema.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE])

Ich sage Ihnen: Man kann viele Kampagnen machen. Anfang des Jahres war an den Bahnhöfen wieder viel plakatiert: „Wir sind Rechtsstaat“. Rechtsstaat ist für mich, was in den Gerichtssälen ankommt. Da kommt zu wenig an. Das ist viel zu wenig. Das ist peinlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mechthild Rawert [SPD]: Rechtsstaat ist mehr!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)