Rede von Maik Außendorf Kleine und Mittlere Unternehmen

Mail Außendorf MdB
09.02.2023

Maik Außendorf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut und richtig, dass wir hier im Deutschen Bundestag regelmäßig über den Mittelstand, das Rückgrat unserer Wirtschaft, debattieren. Aber der Anlass heute, der ist mal wieder ermüdend: wie so oft ein Antrag der AfD, die, wie schon letzten November, zwar ein richtiges Thema setzt, aber in der Sache am Detail vorbeigeht; darauf komme ich später noch zurück.

(Enrico Komning [AfD]: Unverhältnismäßige Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen!)

Zunächst möchte ich hier festhalten: Die gesamtwirtschaftliche Lage ist zwar nicht rosig, aber deutlich besser als im vergangenen Sommer erwartet und befürchtet. Noch vor circa einem Dreivierteljahr war überhaupt nicht sicher, dass wir ohne Energiemangellage durch den Winter kommen. Nicht wenige erwarteten eine handfeste Rezession und in der Folge möglicherweise einen heißen Herbst.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen hat die Bundesregierung hart dafür gearbeitet, dass die Gasspeicher voll sind und etliche Programme die Inflationsfolgen lindern,

(Enrico Komning [AfD]: Wir wollen über Bürokratieabbau reden, nicht über Gasspeicher!)

zwar nicht ganz auffangen, aber immerhin lindern. Stand heute Mittag, 9. Februar, stehen die Speicher bei 75 Prozent, mehr als doppelt so viel wie noch vor einem Jahr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Reinhard Houben [FDP] – Zuruf von der AfD: Was hat das damit zu tun?)

– Ja, ich komme gleich darauf zurück; wir sind gerade noch bei der allgemeinen Lage.

So. Und statt der befürchteten Rezession haben wir 2022 mit einem, wenn auch geringen, Wachstum abgeschlossen – also wirklich kein Grund zur Schwarzmalerei, auch kein Anlass, sich zurückzulehnen; das tun wir auch nicht. Die Ampelfraktionen, das BMWK sind auf vielen Ebenen tätig, um die Wirtschaft zu entlasten und vor allem die KMU weit über die Energiefrage hinaus zu unterstützen.

Ich möchte ein paar Punkte nennen: Wir haben hier in der letzten Sitzungswoche über das ZIM debattiert, das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand. Es enthält viele Mittel – wir als Bundesregierung haben sie verstetigt und angehoben –, die ganz speziell auf die Zukunftsfähigkeit des Mittelstandes zielen. Wir haben eine Fachkräftestrategie vorgelegt; der Fachkräftemangel ist aktuell eines der größten Probleme. Neben Aus- und Weiterbildung, einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind hier eine vereinfachte Einwanderung und das Chancen-Aufenthaltsrecht zentrale Bausteine. Die Wirtschaft dankt es. Und in Richtung Union sage ich: Es war für mich sehr irritierend, dass wir hier gesehen haben, dass Herr Merz und die Mehrheit der Union ideologisch gegen die Interessen der Wirtschaft gestimmt haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ach wie witzig!)

Auch in der Debatte zur Start-up-Strategie der Bundesregierung haben wir hier einige Instrumente bereits besprochen, die ganz gezielt Gründungen unterstützen und damit aber auch kleinen und mittelständischen Unternehmen weiterhelfen. Exemplarisch seien genannt: ein spezieller Fonds für Gründer/-innen, One-Stop-Shops und Programme wie „go-digital“, die KMU dabei helfen, sich mit der Digitalisierung fit für die Zukunft zu machen.

Jetzt kommen wir zum Thema Bürokratie.

(Enrico Komning [AfD]: Na endlich!)

Ich habe das als Unternehmer selber jahrelang erlebt und miterleben müssen. Auch in vielen Gesprächen mit Verbänden stellen wir fest: Das ist ein Riesenproblem.

(Enrico Komning [AfD]: Mal gucken, was Sie gemacht haben!)

Das gehen wir auch auf verschiedenen Ebenen an. Die zentrale Forderung in Ihrem Antrag lautet: die überproportionale Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen wirksam und vollständig zu beseitigen – wirksam und vollständig.

(Enrico Komning [AfD]: Ja!)

Das geht überhaupt nicht, mathematisch völlig unmöglich. Es ist so, dass in jedem Unternehmen ein Offset, eine Mindestanforderung erfüllt werden muss und dass größere Unternehmen dann auch bessere Skalierungseffekte haben. Das, was Sie fordern, ist schlichtweg nicht möglich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Doch! Ich habe einen Vorschlag gemacht in dem Antrag! Müssen Sie mal reinlesen!)

– Ja, habe ich mir angeguckt, ist aber nicht durchsetzbar.

Wir kommen darauf zurück; denn viele der Punkte, die Sie anreißen, haben wir längst schon aufgegriffen, nämlich in unserem Aktionsplan „Mittelstand, Klimaschutz und Transformation“ aus dem letzten Herbst. Da sind etliche Punkte eingeflossen, die wir in der Berichterstatterrunde derjenigen, die sich in den Ampelfraktionen mit Bürokratieabbau beschäftigen, diskutiert haben: zum Beispiel die Anhebung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 1 000 Euro, die Anhebung der Umsatzgrenzen in Bezug auf die Buchführungspflichten. Das und noch viel mehr sind in dem Aktionsplan enthalten. Der liegt jetzt im BMJ, und dort wird an einem Bürokratieentlastungsgesetz gearbeitet; darauf warten wir. Wir sehen schnell umzusetzende Maßnahmen auf uns zukommen, um den Bürokratieaufwand für die KMU wirklich wirksam zu begrenzen. Da sind wir schon lange dran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Ein ganzes Jahr vertrödelt!)

Ich möchte hier aber auch noch einmal deutlich machen – das wurde eben schon angesprochen –, was Bürokratieabbau nicht bedeutet. Es bedeutet eben nicht, Umwelt- und Sozialstandards zu senken. Das gilt es zu verhindern. Es geht darum, Prozesse zu verschlanken und zu digitalisieren, mit Anpassungen von Grenzwerten Erleichterungen umzusetzen und Berichtspflichten so zu gestalten, dass sie mit innerbetrieblichen Prozessen und Berichten zusammenpassen. Das ist Entbürokratisierung bei gleichzeitigem Beibehalt der Standards, die wir in Deutschland haben und auf die wir stolz sein können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch mal auf das Lieferkettengesetz eingehen. Es wird ja oft angeführt als angebliches Bürokratiemonster.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ja! Das ist es auch!)

Sie von der GroKo haben das ja noch beschlossen, und Sie haben dann erstaunlicherweise kurz vor der Jahreswende, bevor das Gesetz in Kraft treten sollte,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Zeitenwende!)

noch versucht, Ihr eigenes Gesetz wieder zu stoppen. Und damit haben Sie dokumentiert, wie Sie Ihre sozial-ökologische Verantwortungslosigkeit in Gesetze gießen wollen.

(Widerspruch des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])

So. Und jetzt kommen wir zum Lieferkettengesetz und dazu, warum es den KMU nämlich hilft. Es hilft, weil es diejenigen Unternehmen, diese KMU, die in Deutschland ehrlich und nach sozial-ökologischen Standards arbeiten, schützt vor der internationalen Konkurrenz, vor Unternehmen, die sich mit unlauteren Methoden auf Kosten von Mensch und Umwelt bereichern und Wettbewerbsvorteile erschleichen wollen. Das verhindern wir mit dem Lieferkettengesetz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: Das Gegenteil ist der Fall!)

Ich komme zum Schluss, mit ganz ehrlichen Worten, die ich im letzten Herbst zu Ihrem Antrag im November gesagt habe: Komplexe Probleme lassen sich eben nicht mit einfachen populistischen Forderungen lösen. Wir als Koalition packen die Probleme auf allen Ebenen an. Das kommt auch und gerade dem Mittelstand zugute. So kommen wir gut und solidarisch über den Winter – und stärken die KMU nachhaltig für zukünftige Aufgaben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Außendorf. – Nächster Redner ist der Kollege Christian Leye, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)