Rede von Dr. Anton Hofreiter Klimaschutz

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15.11.2019

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir das Eigenlob in dieser Debatte von den Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD anhöre, dann zeigt mir das: Sie haben beim Thema Klimaschutz zu wesentlichen Teilen der Gesellschaft und zur Realität den Kontakt verloren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aha!)

Viele der Maßnahmen, die Sie hier beschließen, die Sie in Ihren Ministerien erarbeiten, sind im besten Falle ungenügend, im schlechtesten Falle sogar kontraproduktiv. Bei dem hier angekündigten Klimajahr kann man nur als Fazit ziehen: Sie sind an der Menschheitsaufgabe Klimaschutz gescheitert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit den Maßnahmen werden Sie Ihre selbstgesetzten Klimaziele nicht erreichen, geschweige das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten.

Lassen Sie uns die Maßnahmen einmal konkret anschauen: Beim CO-Preis schaffen Sie es tatsächlich, ein ökologisch unwirksames Paket sozial ungerecht und rechtlich fragwürdig umzusetzen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Hofreiter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rosemann aus der SPD?

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, warum net?

(Heiterkeit – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht ist er dann ein bisschen unaufgeregter!)

Dr. Martin Rosemann (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herzlichen Dank, Herr Kollege Hofreiter, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich würde Sie gerne fragen: Wie passt das, was Sie hier erzählen, eigentlich zur grünen Regierungsrealität dort, wo Sie die Verantwortung tragen?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ganz konkret, Herr Hofreiter: Ich bin aus Baden-Württemberg. Da stellt Ihre Partei seit acht Jahren den „Minischterpräsidenten“, seit acht Jahren den „Umweltminischter“,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

und ich kann Ihnen sagen: Was das Erreichen der Klimaziele angeht, ist Baden-Württemberg deutlich schlechter als der Bund. Erklären Sie mir das doch einmal!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Herr Hofreiter, um es noch konkreter zu machen: Beim Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg passiert gar nichts. Da wird kaum ein neues Windrad gebaut. Bevor Sie dann wieder auf den Bund zeigen, kann ich Ihnen sagen: Ich könnte Ihnen x Beispiele dafür nennen, dass der Bau von Windkrafträdern ganz konkret am baden-württembergischen Planungsrecht scheitert, und die grün geführte Landesregierung macht gar nichts.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP)

Also, Herr Hofreiter, erklären Sie mir doch einmal, wie Sie hier die Backen aufblasen können angesichts dieser Realität grüner Klimapolitik in diesem Land!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Als Allererstes stelle ich fest: Da ich selber relativ starken Dialekt spreche, finde ich es seltsam, dass Sie, wenn Sie aus Baden-Württemberg kommen, mit Ihrer Nachahmung der Aussprache des Umweltministers und des Ministerpräsidenten Dialekt lächerlich machen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das finde ich, ehrlich gesagt, peinlich.

(Widerspruch bei SPD)

Dann zum Inhaltlichen. Ich kann ja absolut verstehen, dass Sie in Baden-Württemberg peinlich geworden sind, nachdem Sie mehr oder weniger schlecht der Koalitionspartner für die Grünen waren und die Wahl verloren haben. Die Grünen bemühen sich seit Jahren, die Windkraft auszubauen. Sie bekennen sich zum Ausbau der Windkraft. Sie stehen zum 2-Prozent-Ziel, das für die Fläche notwendig ist. Sie leiten die Verkehrswende ein. Sie kämpfen um die Landwirtschaftswende. Sie haben dafür gesorgt, dass es einen Nationalpark gibt. Deshalb: Ich empfehle Ihnen, vor Ihrer eigenen Haustür zu kehren. Sie sind hier Vertreter einer Regierungsfraktion. Machen Sie Ihren Job!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh! – Carsten Träger [SPD]: Antworten Sie doch!)

Jetzt zu Ihrem Job, den Sie nicht machen. Sie haben es geschafft, das Instrument des CO-Preises ökologisch unwirksam auszugestalten und es mit sozialer Ungerechtigkeit und rechtlicher Unklarheit zu kombinieren. Ökologisch unwirksam! Sie glauben doch nicht im Ernst, dass eine Preiserhöhung bei Benzin und Diesel, die unter der täglichen Preisschwankung an der Zapfsäule liegt, irgendeine ökologische Wirksamkeit bringt.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Entscheidend ist doch die preisliche Progression! Gesetze lesen!)

Da die Union Angst vor dem Wort „Steuer“ hat, haben Sie es auch noch rechtlich unsicher ausgestaltet, und da Sie

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kommt jetzt die Antwort? – Beatrix von Storch [AfD]: Das ist Ihre zentrale Rede! Das war bislang noch nichts!)

sozial ungerecht

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)

sind – die Union erzählt uns hier ja gerne, dass sie die Menschen entlasten würde –, schaffen Sie es tatsächlich, einen Großteil dieses Geldes einzubehalten und nicht an die Menschen zurückzugeben. Deshalb: Wenn Sie ein sozial gerechtes System machen wollen, dann schaffen Sie mit den Einnahmen die Stromsteuer komplett ab. Zahlen Sie den Menschen das Energiegeld aus. Geben Sie 100 Prozent der Einnahmen aus den CO-Abgaben den Menschen direkt und transparent zurück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE])

Nun kommen wir zu einem zweiten Bereich;

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie haben doch noch gar nichts gesagt, Herr Hofreiter!)

hier ist Ihre Arbeit nicht nur ungenügend, sondern sogar kontraproduktiv.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie haben noch gar nichts gesagt!)

Denn es sollte doch völlig unstreitig sein, dass wir für erfolgreichen Klimaschutz den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen. Wir brauchen sauberen Strom, um Atom und Kohle zu ersetzen. Elektromobilität macht nur Sinn mit ausreichend sauberem Strom. Für die Herstellung von grünem Wasserstoff, damit die Chemieindustrie CO-neutral werden kann, damit wir moderne, CO-neutrale Stahlwerke bekommen, brauchen wir ausreichend sauberen Strom. Ohne genügend sauberen Strom macht das alles keinen Sinn bzw. ist das schlicht unmöglich.

(Beifall des Abg. Dr. Eberhard Brecht [SPD])

Und was machen Sie bei der Windkraft? Nachdem Sie mit Ihrem Zickzackkurs bereits die Photovoltaikindustrie aus dem Land getrieben haben und Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet haben,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da sind wir wieder bei Baden-Württemberg!)

machen Sie bei der Windindustrie genau so weiter. Sie haben bereits über 30 000 Arbeitsplätze vernichtet. 3 000 Arbeitsplätze sind gerade in Gefahr bei einem der führenden Hersteller.

(Klaus Mindrup [SPD]: Da sind wir in der Opposition!)

Was macht der Wirtschaftsminister? Anstatt den komplett eingebrochenen Ausbau bei der Windkraft wieder flottzumachen,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In Baden-Württemberg?)

kommt aus dem Haus des Wirtschaftsministers eine Regelung, dass einen Kilometer entfernt von fünf Häusern kein einziges Windkraftwerk mehr gebaut werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Aus dem Haus des Wirtschaftsministers kommt eine Regelung, die die meisten Regionalpläne, die in den letzten Jahren aufgestellt wurden, entwertet.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Hat er von Baden-Württemberg abgeschrieben!)

Das führt zum endgültigen Einbruch der Windkraft. Das dürfen Sie nicht zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Und was passierte, als der Wirtschaftsminister bei diesem Manöver ertappt worden ist?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Was hat der Minister getan, als er bei diesem Manöver ertappt worden ist? Er hat mit dem Finger auf die arme Umweltministerin gezeigt, die immer wieder von der SPD im Regen stehen gelassen worden ist, statt diese Regelung sofort zurückzuziehen. Aber Sie haben immerhin eines erreicht mit Ihren Maßnahmen: Sie haben erreicht, dass Industrie, Gewerkschaften und Umweltverbände

(Tino Chrupalla [AfD]: Zivilgesellschaft!)

einvernehmlich gegen Ihre Regierung protestieren. Das ist immerhin auch eine Leistung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der heutige Tag ist ein weiterer schlechter Tag für den Klimaschutz. Ich habe hier oft an Sie appelliert, endlich vernünftig zu handeln. Aber nach den letzten Wochen kann man nur sagen: Echter Klimaschutz geht nur gegen diese Regierung, an dieser Regierung vorbei.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE] – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wo waren denn die eigenen Vorschläge, Herr Hofreiter? Da war ja nichts dabei!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Bernhard Daldrup, SPD.

(Beifall bei der SPD)