Rede von Lisa Badum Klimaschutzpolitik

18.01.2018

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer neu mit einer Aufgabe betraut ist, versucht zunächst eines, nämlich seiner neuen Rolle gerecht zu werden und das Offensichtliche zu tun.

Nun schaue ich als neue Abgeordnete der Grünen in das Sondierungspapier von Union und SPD, und ich sehe dort, dass sich die Sondierer achselzuckend vom eigenen Klimaziel 2020 verabschieden. Und was bieten sie stattdessen? SPD und Union wollen – wortwörtlich – Handlungslücken schließen. Das ist eine originelle Umschreibung für das eigene Scheitern als Regierung, für das Scheitern beim nationalen Klimaschutz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie möchten allen Ernstes diese entscheidende Zukunftsfrage in einen Arbeitskreis auslagern. Ich komme aus Bayern, meine Damen und Herren, genauer gesagt: aus Franken. Als die CSU nicht mehr wusste, was sie mit Horst Seehofer machen soll, hat sie auch einen Arbeitskreis beauftragt. Heraus kam dabei: Markus Söder.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich mache mir Sorgen um das Klima.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber jetzt mal ganz im Ernst:

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das war ernst!)

Mit dem, was Union und SPD in Sachen Klimaschutz bisher getan haben und noch tun wollen, werden sie der Größe der Aufgabe nicht gerecht; denn sie ignorieren das Offensichtliche. Sie ignorieren die Realität. Das Klima wandelt sich, die Temperaturen steigen global und ebenso die Meeresspiegel. Sie ignorieren die Expertinnen und Experten, die auf den Faktor Zeit hinweisen. Die nächsten 20 Jahre werden entscheidend sein; sonst sind Anpassungen kaum noch möglich. So sagen es die Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE])

Wir können es uns schlicht und einfach nicht leisten, ein weiteres Jahr, ja nicht einmal ein weiteres halbes Jahr zu verlieren. Sie werden jetzt vielleicht sagen: 1 Grad mehr oder weniger auf der Welt, was macht das schon? Es geht jetzt um die Zukunft dieses Landes. – Wenn es Ihnen darum geht, dann müssen Sie aufhören, das Offensichtliche zu ignorieren; denn der Klimawandel wird massive Auswirkungen auf Deutschland, auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger haben. Auch heute haben wir wieder Unwetterereignisse.

Doch Sie ignorieren die Probleme nicht nur, Sie schaffen mit Ihrer Innovationsfeindlichkeit auch neue. Nehmen wir die Kohle: Sie hat als Energiefossil längst ausgedient; aber Ihnen ist sie heilig.

(Beifall der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie opfern ihrem Abbau in Deutschland immer noch ganze Landschaften und Dörfer, neuerdings auch Kirchen wie den Dom von Immerath.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE])

Schauen Sie sich das Video vom Abriss an! Da werden Ihnen die traurigen Folgen Ihrer Politik vor Augen geführt. Das tun Sie, anstatt die schmutzigsten Kohlekraftwerke endlich stillzulegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie als Regierung unterdrücken durch ständige Deckelungen systematisch das Wachstum der erneuerbaren Energien. Zehn Deckel haben Sie allein für die Windkraft erfunden. Damit gefährden Sie die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Was ist geboten, wenn man die Augen nicht mehr vor der Realität verschließen will? Gestern haben wir in der Fragestunde von der Bundesregierung gehört, dass sie noch am Klimaziel 2020 festhalten will. Das trifft sich gut; denn wir Grüne legen heute einen Antrag dazu vor. Damit haben Sie die Chance, sich zu ebendiesem Klimaziel 2020 zu bekennen und die deutsche Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz zurückzugewinnen.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Frau Badum, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein. – Sie müssen sich erstens endlich an die Kohle herantrauen. Schalten Sie noch vor 2020 die schmutzigsten Kohlekraftwerke ab!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie müssen zweitens endlich an die Baustellen Energieeffizienz und Energieeinsparung und den hohen Energieverbrauch in der Wärmeerzeugung ran. Und: Ziehen Sie drittens endlich die Notbremse bei Ihrer verkorksten EEG-Novelle. Die gesetzliche Deckelung beim Ökostrom muss aufgehoben werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE])

Deswegen legen wir außerdem einen Antrag vor, mit dem wir unsere heimische Windbranche endlich in die Lage versetzen wollen, ihren vollen Anteil zur Bewältigung der Klimakrise zu leisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, echte Klimaschutzpolitik braucht einen langen Atem. Sie braucht Sachkenntnis und die Bereitschaft, verkorkste Entscheidungen noch einmal anzugehen. Sie braucht den Mut, mit dem Gemeinwohl im Blick das Offensichtliche zu tun. All das hoffe ich bei meiner eigenen Arbeit als Abgeordnete zu haben, wieder und wieder. Zu all dem haben auch Sie heute Gelegenheit, wenn Sie unseren beiden Anträgen zustimmen.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall des Abg. Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE])