Rede von Lisa Paus Kosten der Kinder- und Jugendhilfe

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28.09.2022

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Aktuell leben etwa 250 000 junge Menschen in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Dort – endlich – finden sie das, was sie in ihren Herkunftsfamilien vermissen mussten: Sicherheit, Geborgenheit, Orientierung und das Zutrauen in ihre eigenen Stärken – dass sie eines nahen Tages auf eigenen Beinen stehen können.

Für diese Kinder, die zu ihrem Schutz aus ihren Herkunftsfamilien herausgenommen werden mussten, hat der Staat eine ganz besondere Verantwortung. Für Tom zum Beispiel, ein 16-Jähriger, der in einer betreuten WG lebt und nach der zehnten Klasse eine Ausbildung bei einem Anlagenbauer beginnen möchte. Er hat keine Familie, die ihn finanziell unterstützen könnte. Darum möchte er sparen, um die WG mit 18 verlassen zu können, um sich eine eigene Wohnung suchen zu können. Aber heute muss Tom 25 Prozent seines Einstiegsgehalts an das Jugendamt abgeben und die eigene Unterbringung mitbezahlen, während seine Freunde über ihr Einkommen frei verfügen können.

Wir wollen Tom und all die anderen Minderjährigen, die in Pflegefamilien oder Einrichtungen leben, finanziell entlasten, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Genau das machen wir mit diesem Gesetz, das die Kostenheranziehung in der Kinder- und Jugendhilfe abschafft, so der offizielle, korrekte Terminus.

Heute geht es im Kern deshalb um drei Dinge: Erstens. Kinder und Jugendliche können künftig ihr Einkommen komplett behalten. Zweitens. Wer alleinerziehend ist und mit seinem Kind in einer Wohngruppe betreut wird, muss nicht noch 25 Prozent an das Jugendamt abgeben. Drittens. Auch die Lebens- und Ehepartner/-innen werden nicht mehr an der Kostenheranziehung beteiligt. – All das macht einen entscheidenden Unterschied im Leben der Betroffenen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Ulrike Bahr [SPD])

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Frau Ministerin, ich möchte Sie eigentlich nur unterstützen. Ich finde nämlich, dass es gerade wieder laut wird. Ich möchte alle Abgeordneten bitten, die Gespräche am Rande nach außen zu verlagern. Auch bei der AfD-Fraktion wäre es schön, wenn Sie die Gespräche hinten nach außen verlagern könnten. – Sie kriegen es nicht einmal mehr mit. – Wunderbar. Vielen Dank dafür. – Bitte die Gespräche hier drinnen einstellen. – Danke.

So, bitte schön, Frau Ministerin.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und des Abg. Martin Gassner-Herz [FDP])

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Wir schaffen die Kostenheranziehung ab, und das macht einen entscheidenden Unterschied im Leben der Betroffenen. Als Jugend- und Familienministerin möchte ich nämlich diesen jungen Menschen den Start in ein selbstständiges Leben erleichtern und sie motivieren, Verantwortung zu übernehmen, und in die Lage versetzen, Verantwortung übernehmen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und des Abg. Martin Gassner-Herz [FDP])

Meine Damen und Herren, es geht um nichts weniger als um Chancengerechtigkeit, Chancengerechtigkeit gegenüber Gleichaltrigen, die sich eben auf familiäre Unterstützung verlassen können. Ich bitte Sie deshalb um Unterstützung für dieses Gesetz.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Es folgt Paul Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)