Rede von Stefan Gelbhaar Kostenloser öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

22.02.2018

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Es ist schon bemerkenswert, dass die FDP die Aktuelle Stunde dazu nutzt, ein Loblied auf den Diesel zu singen, dass die CDU die Aktuelle Stunde nutzt, um sich von ihren Ministern zu distanzieren,

(Michael Donth [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

und dass die SPD versucht, zu beweisen, dass die Bundesregierung bei diesem Thema nur denkt, aber nicht handelt. Das finde ich schade. Ich hingegen möchte der Bundesregierung zu ihrer ersten positiven Schlagzeile nach Monaten gratulieren: Bus und Bahn kostenlos –

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

das hat viele Menschen inspiriert, das hat viele Diskussionen ausgelöst. Das heißt, diesen Ankündigungen von immerhin drei Bundesministerien und der damit losgetretenen Debatte müssen nun auch Taten folgen.

Natürlich wird Ihnen von der Bundesregierung jetzt mitgeteilt, warum das alles nicht gehen soll. Die Fachverbände merken dabei durchaus gewichtige Punkte an. Und Sie? Sie in der Bundesregierung sind sogleich dabei, zurückzurudern. Warum so verzagt? Seien Sie sich gewiss: Wir sind an Ihrer Seite, wenn Sie Bus und Bahn besser und günstiger machen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, bislang ist da die Bundesregierung nicht in Erscheinung getreten. Sie haben tatenlos zugesehen, wie die Fahrpreise Jahr für Jahr gestiegen sind, wie sich die Verkehrsverbünde einen Preiserhöhungsmechanismus gebaut haben. Da kam von Ihnen nur eine Art stiller Applaus. Das muss ein Ende haben. Die Preise müssen runter und nicht rauf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Michael Donth [CDU/CSU]: Sind Sie gegen Lohnerhöhungen?)

Darum lassen Sie uns diese Aufgaben endlich angehen.

Ja, die Lösung wird kompliziert sein. Natürlich ist der Preis nur ein Baustein, aber eben ein wichtiger. Das Angebot von Bus und Bahn muss gut sein, also bequem, schnell und sicher, aber eben auch bezahlbar. Das ist für viele Menschen nicht mehr gegeben. Deswegen gibt es so viele Schwarzfahrer. Deswegen müssen so viele Eltern rechnen, ob das Geld für ein Schülerticket der Kinder da ist. Das müssen und das können wir ändern. Das Land Berlin, rot-rot-grün regiert, zeigt, dass das geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ja, das kann und muss ein Teil der viel beschworenen Mobilitätswende sein. Saubere und bezahlbare Mobilität darf nicht exklusiv sein, sondern muss für alle verfügbar sein. Ansätze dafür gibt es genug. Nehmen wir das Wiener Modell als Beispiel. Fahrgäste mit Jahreskarte zahlen dort 1 Euro pro Tag.

(Karsten Möring [CDU/CSU]: Und den Rest zahlt der Steuerzahler!)

Das hatte eine Verdopplung der Zahl der Fahrgäste seit der Einführung im Jahr 2012 zur Folge. Oder nehmen Sie das durchgerechnete Modell einer Berliner Bärenkarte, das eine Lösung für die Rushhour aufzeigt. All das kann die Menschen aus dem Auto locken. Aber auch das ist nur der Anfang einer breiten Palette von Instrumenten.

Wir müssen natürlich in das Fahrrad investieren. Warum fehlt dazu eigentlich jegliche Aussage in diesem ominösen Brief? Wann bekennen Sie sich endlich zur technischen Nachrüstung von Dieselautos und dazu, dass das die Automobilindustrie zu zahlen hat und niemand anderes?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dass das wirkt und bezahlbar ist, hat gerade der ADAC bewiesen. Deswegen: Ran ans Werk!

Bei alledem dürfen Sie nicht den ländlichen Raum vergessen. Wo kein Bus fährt, hilft es nichts, wenn der ÖPNV kostenlos ist. Das heißt, die Investitionen in das Angebot von Bus und Bahn müssen auf dem Land und in der Stadt deutlich erhöht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Damit komme ich zum zweiten Punkt in dieser Debatte. Sehr geehrte Frau Hendricks – aber auch Herrn Altmaier und Herrn Schmidt sei gesagt –, wenn Sie den Vorschlag eines kostenlosen ÖPNV nur in die Zeitung gebracht haben, um endlich nicht mehr über Fahrverbote, Nachrüstung und Dieselsubventionen reden zu müssen, dann seien Sie sich gewiss: Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie haben auf breiter Front Erwartungen geweckt. Jetzt müssen Sie liefern. Sagen Sie nicht, dass Sie das Geld dafür nicht finden. Dabei rede ich noch nicht einmal von den zig Milliarden Folgekosten des Straßenverkehrs, sondern davon, dass Sie den Diesel jedes Jahr mit über 8 Milliarden Euro subventionieren. Sie haben also – das sage ich auch Ihnen, Herr Donth – Geld wie Heu. Wir werden Ihnen jeden Tag ins Stammbuch schreiben: Geben Sie dieses Geld richtig aus!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da, wo Sie heute den Diesel subventionieren, müssen wir in Zukunft den ÖPNV sowie den Fuß- und Radverkehr unterstützen.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Tun wir doch!)

Es wäre wirklich perfide, wenn diese ganze Nummer nur ein Ablenkungsmanöver, nur Fake News der Bundesregierung wären. Dann würden Sie das Vertrauen in die Bundesregierung untergraben, noch bevor sie wieder im Amt ist.

Meine Damen und Herren, es geht um saubere Luft, es geht um Gesundheitsschutz, es geht einfach darum, dass die Menschen in diesem Land nicht mehr jeden Tag vergiftete Luft einatmen müssen. Dafür zu sorgen, ist Ihre verdammte Aufgabe als Bundesregierung. Da können Sie sich nicht herausreden und sagen, das sei Aufgabe der Kommunen. Dieser Verantwortung müssen Sie gerecht werden. Machen Sie Bus und Bahn endlich besser und günstiger! Fördern Sie den Radverkehr stärker als bisher! Zwingen Sie die Automobilindustrie, für ihre Fehler einzustehen und zumindest die Nachrüstung rasch zu bezahlen! Das sind Ihre Aufgaben! Briefeschreiben war gestern. Heute gilt: Ran ans Werk!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)