30.11.2018

Dr. Anna Christmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute hier im Deutschen Bundestag das erste Mal zu einem Antrag zu künstlicher Intelligenz. Als Grüne machen wir damit den Anfang, über diese entscheidende Technologie für die kommenden Jahre eine breite und öffentliche Debatte zu führen, und die ist dringend notwendig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt viele Menschen, die sich Gedanken machen: Bekommen wir es demnächst mit einer Superintelligenz zu tun? Sind wir Menschen irgendwann nur noch Statisten in einer Welt, die von Maschinen beherrscht wird? Da liegt es auch an uns als Parlament, deutlich zu machen: Künstliche Intelligenz ist keine Supermacht, die einfach über uns kommt, sondern künstliche Intelligenz ist eine Technologie, die uns ganz konkret bei konkreten Herausforderungen helfen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Metzler [CDU/CSU])

Schon heute nutzen wir sie, zum Beispiel, wenn wir in unserem Alltag wissen wollen, wie wir am schnellsten von A nach B kommen, aber auch in der Landwirtschaft, wo wir damit massiv Pestizide reduzieren können. Oder denken Sie zum Beispiel auch daran, Krebs besser zu erkennen. Das können Maschinen heute schon besser als der Mensch.

(René Röspel [SPD]: Das stimmt nicht!)

Eine Technologie, die so viel kann, wirft natürlich auch viele Fragen auf und bringt auch potenzielle Gefahren mit sich. Das ist völlig klar; das ist bei den meisten neuen Technologien so.

Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir sie, um sie zu unserem Wohl zu nutzen, exzellent beherrschen und dass wir eine klare Vision haben, für welche Zwecke wir sie einsetzen wollen, und dafür braucht es deutlich mehr Anstrengungen dieser Bundesregierung als bisher.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen endlich unseren eigenen Weg gehen, unseren europäischen Weg. Das ist eben nicht der Weg der USA, und das ist auch nicht der Weg Chinas. Er ist weder autoritär, noch geht es darum, möglichst große Monopole zu befördern. Nein, der europäische Weg muss ein dritter Weg sein.

Wie machen wir das? Dazu will ich aus unserem Antrag, den wir heute vorlegen, drei Punkte herausgreifen.

Wir fordern erstens 100 Millionen Euro schon 2019 für ein europäisches Forschungsnetzwerk, das in die Welt hinausstrahlt; denn nur mit einer klaren Vision von „KI made in Europe“ wird es uns überhaupt gelingen, die besten Köpfe nach Europa zu holen.

Zweitens brauchen wir eine Innovationsstiftung für nachhaltige und soziale digitale Anwendungen; denn damit wollen wir gezielt Entwicklungen voranbringen, die unserer Gesellschaft helfen – und nicht nur die, die am meisten Profit bringen.

KI kann Leben retten, wenn wir sie, wie zum Beispiel in Großbritannien, dazu nutzen, die Netzwerke der Ersten Hilfe bei Herzinfarkten zu verbessern. Dafür hat Großbritannien eine Stiftung, die Nesta heißt. In Schweden gibt es ebenfalls eine Stiftung dafür. Warum haben wir in Deutschland nicht auch eine Stiftung, die soziale und nachhaltige Entwicklungen fördert?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens müssen wir den Prozess analog zu den Klimagipfeln natürlich global gestalten. Ich habe gesagt, KI könne Leben retten. KI kann aber potenziell auch viele Leben kosten. Natürlich werden derzeit auch autonome tödliche Waffen entwickelt. Das gilt es international zu ächten. Ein Verbot muss global durchgesetzt werden, und dafür müssen wir uns einsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, Sie werden gleich nachfolgend wahrscheinlich sagen: Haben wir doch alles längst gemacht; wir haben doch eine KI-Strategie vorgelegt. – Dazu kann ich nur sagen: Mir ist keine KI-Strategie der Bundesregierung bekannt;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP – Frank Sitta [FDP]: Sammelsurium!)

denn das Papier, das vorliegt, hat mit einer Strategie leider nur wenig bis gar nichts gemeinsam. Es enthält keine Prioritäten und keinen Zeitplan, es bietet keine Vision, wie wir die künstliche Intelligenz zum Wohl von Umwelt und Mensch gestalten können.

Sie stellen Ihre 3 Milliarden Euro ins Schaufenster. Wenn man genau hinguckt, dann sind 2019 genau 50 Millionen Euro eingestellt. Das ist viel zu wenig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – René Röspel [SPD]: Was macht ihr denn mit 100 Millionen Euro?)

Zum Abschluss will ich eines mal ganz klar sagen: Den Unterschied zwischen unserem Antrag und dem Papier der Bundesregierung erkennt man auf der ersten Seite Ihres KI-Papiers. Da stehen ganz groß „K“ und „I“ in Schwarz-Rot-Gold und „AI made in Germany“. Ich sage: Wer KI national denkt, der wird scheitern. Wir brauchen einen europäischen Weg, und dafür steht unser grüner Antrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)