Rede von Erhard Grundl Kulturpolitik

Foto von Erhard Grundl MdB
19.01.2023

Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die AfD gaukelt einmal mehr vor, unsere kulturelle Identität retten zu wollen. Im Antrag definieren Sie Deutsch-Sein als eine Gemeinschaft, die sich durch Sprache, Herkunft, Religion und anderes miteinander verbunden fühlt. Es überrascht natürlich hier niemanden sonderlich, dass diese Vorstellung von Sortenreinheit, Gleichschritt und Tristesse für die AfD Deutsch-Sein manifestiert.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Völliger Blödsinn!)

Mit dem Antrag will man von der rechten Flanke aus die deutsche Kulturpolitik neu ausrichten.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Wofür diese neue Kulturpolitik dann aber steht, damit befasst sich der Antrag dann doch nicht. Wo und von wem diese Bananenflanke versenkt werden soll, bleibt im Nirwana stecken. Klar formuliert die AfD einzig nur beim Dagegensein: gegen Geschlechtergerechtigkeit, gegen Diversität, gegen Erinnerungskultur, also gegen NS-Aufarbeitung, gegen die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Überhaupt nicht! Völliger Unsinn!)

Die Spinnweben in Ihren Gehirnen gedeihen vortrefflich. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Blödsinn!)

– da hat sich bei Ihnen seit Ururopas Zeiten nichts verändert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Der Antrag richtet sich auch gegen die Freiheit der Kunst. „Natürlich“ möchte man sogar rufen;

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie sind gegen die Freiheit der Kunst! Sie verengen!)

denn das ist nach Ihrer mürben Logik folgerichtig.

Wenn es nach der AfD geht, dann darf Kunst in Deutschland nicht kritisch sein.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie darf kritisch sein!)

Alles, was Kunst und Kultur aufregend, bunt, kratzbürstig

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Und links! Von vorne bis hinten!)

und provozierend macht, wollen Sie nicht haben. Kunst hat nach Ihrem Antrag einem Auftrag zu gehorchen, Ihrem Auftrag. Einen Auftrag, den Sie allerdings dann aber nicht einmal formulieren können. Vielleicht ist an der Stelle die Zoomkonferenz mit Orban, Bannon und dem Kreml zusammengebrochen. Also fragen Sie vielleicht da noch mal nach.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt könnte man versucht sein, den Antrag dieser Pickelhaubenfraktion in seiner ganzen Lächerlichkeit abzutun.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Geht es noch?)

Aber aus unserer Geschichte wissen wir nur zu gut, dass das ein großer, fataler Fehler wäre. Seit Hitler und Goebbels wissen wir leider: Die Kulturpolitik ist das allererste Kampffeld der Rechtsradikalen. Und das gilt auch für die AfD.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD] und Dr. Marc Jongen AfD])

An Sie, meine Damen und Herren von der Union, kann ich nur appellieren: Halten Sie Abstand!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Lassen Sie uns gemeinsam für die Freiheit der Kunst eintreten. Die Freiheit der Kunst ist entscheidend für unsere Demokratie,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ganz linke Kunst!)

und das macht sie für die AfD und Konsorten so unannehmbar.

Zum Schluss: Der Antrag diffamiert unsere Erinnerungskultur als Schuld- und Schamkult. Erinnerungskultur ist aber nicht Selbstkasteiung. Sie ist unsere Chance, die Zukunft anders und besser zu gestalten. Das Menschenverbrechen des Holocaust kann nicht wiedergutgemacht werden. Wenn wir uns aber dessen nicht mehr schämen, was von Deutschen im deutschen Namen verbrochen wurde,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sagt keiner!)

dann, meine Damen und Herren, ist wirklich Gefahr im Verzug. Dann haben wir nichts gelernt.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es geht um die Einseitigkeit! Nur darum geht es!)