Rede von Karl Bär Landwirtschaft

Karl Bär MdB
22.02.2024

Karl Bär (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss jetzt mal eine Sache klarstellen: Das ökologische Ambitionsniveau der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ist nicht zu hoch, es ist zu niedrig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir stehen mit dem Artensterben und der Klimakrise vor den größten Problemen, die wir Menschen in der Zeit unserer Zivilisation jemals hatten. Es klingt vielleicht pathetisch, aber das ist einfach Teil der Realität: Wir müssen eine ökologische Agrarwende schaffen, sonst können wir uns auf diesem Planeten nicht dauerhaft ernähren. Wir haben bekanntlich keinen zweiten Planeten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Franziska Kersten [SPD] – Zuruf des Abg. Uwe Schulz [AfD])

Dass die Agrarpolitik der EU zu kompliziert und zu bürokratisch ist, liegt nicht daran, dass sie zu ökologisch ist. Das liegt daran, dass die vorherige Regierung und die rechte Mehrheit im Europäischen Parlament mit Zähnen und Klauen ein System verteidigt haben, das letztendlich Steuergelder an Grundbesitzer verteilt. 1 Prozent der größten Betriebe in Deutschland haben zwischen 2014 und 2021 25 Prozent der Subventionen bekommen, die 50 Prozent der kleineren Betriebe nur 8 Prozent der Subventionen.

Das neue System der EU-Agrarsubventionen ist deshalb so bürokratisch und kompliziert – das ist richtig irre –, weil es ein schlecht gemachter Kompromiss zwischen den Profiteuren des alten Systems und der Notwendigkeit, irgendwas zu ändern, ist. Wir brauchen jetzt einen großen Schnitt in der europäischen Agrarpolitik, spätestens aber mit der nächsten Reform. Was wir nicht machen können, ist, jetzt die letzten Reste der ökologischen Vorgaben aus dem jetzigen System herauszustreichen. Wer ein bisschen Sinn für die Zukunft hat, kann das nicht mitmachen. Ich bin froh, dass Steffi Lemke und Cem Özdemir hier für die Biodiversität kämpfen. Das werden uns kommende Generationen danken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt kurz zur AfD. Das ist völlig inkonsequent und inkonsistent, was Sie hier machen – Gero hat es schon vorgetragen –: mal für Subventionen, mal alle streichen, mal einige davon verdoppeln; mal für Glyphosat, mal dagegen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Was ist denn Ihre Meinung?)

Aussprechen können Sie das Wort auch nicht.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

In Berlin gegen Gentechnik reden, im Europaparlament aber dafürstimmen.

Ich würde es Ihnen ja verzeihen. Ich erwarte gar nicht, dass Sie wissen, was GLÖZ und Ökoregeln sind,

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Doch! Doch!)

wie man Glyphosat richtig ausspricht. Ich erwarte auch nicht, dass Sie lesen, was in den Empfehlungen der Borchert-Kommission steht; das sind immerhin 20 Seiten. Sie kassieren hier Diäten, ohne irgendetwas beizutragen. Ihr Ziel ist, zu zerstören und zu spalten. Und das verzeihe ich Ihnen nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Kommt da noch etwas Inhaltliches?)

Von der Union würde ich allerdings erwarten, dass Sie Texte lesen. Mit Erlaubnis der Präsidentin würde ich gerne aus einem Bundestagsprotokoll vorlesen. Ich zitiere jetzt einmal Oliver Vogt; der sitzt gerade ganz vorn bei der CDU/CSU.

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Das ist der Beste! – Gegenruf des Abg. Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Einer der Besten!)

Am 25. Januar 2023, also vor wenigen Monaten, forderte er: „Setzen Sie die Ergebnisse der Borchert-Kommission und der ZKL endlich konsequent um!“

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Ja! Ist was falsch daran? – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warten Sie mal ab!)

Ähnliches sagten Albert Stegemann am 16. Juni, Steffen Bilger am 7. September, Julia Klöckner am 12. Oktober letzten Jahres, dieses Jahr Artur Auernhammer am 19. Januar.

(Dieter Stier [CDU/CSU]: Warum machen Sie es nicht? – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Kommen Sie mal in die Hufe!)

Ich finde das auch sehr richtig. Man muss dann aber auch lesen, was drinsteht. Ich zitiere aus dem Abschlussbericht der Borchert-Kommission, übrigens aus dem Februar 2020, also von vor vier Jahren:

„Nach Abwägung der diskutierten Vor- und Nachteile erscheint eine mengenbezogene Abgabe auf tierische Produkte (die z. B. als Tierwohlabgabe bezeichnet werden könnte und technisch als Verbrauchssteuer umgesetzt wird) die bestgeeignete Lösung. Sie sollte sozialpolitisch flankiert werden.“

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die CDU/CSU gewandt: Jetzt müssen Sie klatschen!)

Jetzt haben Cem Özdemir und sein Haus ein Eckpunktepapier vorgelegt, um genau das zu machen. Und was höre ich von der Union? Sie schimpfen darüber. Markus Söder postet seine Protestbratwurst. Ich glaube, Sie haben es sich in der Opposition ganz schön bequem gemacht und sagen jetzt zu allem Nein.

(Beifall des Abg. Niklas Wagener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir aber regieren. Seit dem 1. Februar muss an der Fleischtheke bei Geflügel, Schaf- und Schweinefleisch gekennzeichnet werden, wo es herkommt. Seit Oktober ist es einfacher für Kantinen und Restaurants, Biolebensmittel auf die Speisekarte zu nehmen. Ab August gilt die Tierhaltungskennzeichnung, seit Juni 2023 die Novelle im Baurecht, die es einfacher macht, Ställe umzubauen. Wir kriegen was hin. Das ändert das Land zum Guten. Regieren ist halt auch arbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Wer’s glaubt, wird selig! – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das war ja wieder Märchenstunde!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Dieter Stier für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)