Rede von Leon Eckert Lehren aus der Flutkatastrophe 2021

07.07.2022

Leon Eckert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wenn wir heute zurückblicken auf das Hochwasser, das sich vom 14. auf den 15. Juli letzten Jahres durch Flussläufe und Täler gewalzt hat, dann ist die Dimension immer noch schwer zu fassen. Meine Gedanken sind bei denen, die Angehörige, Freunde, Verwandte verloren haben. Das Engagement und der Einsatz der vielen – Nachbarn, Freunde, völlig Fremde, Einsatzkräfte der Hilfsorganisationen, der Feuerwehren und des THW –, das sind die Lichtblicke in dieser Katastrophe gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben über Tage, Wochen und Monate vor Ort zur Bewältigung der Lage beigetragen. Danke dafür!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Wir sind es den Betroffenen und den Helferinnen und Helfern schuldig, unsere Lehren aus der Katastrophe zu ziehen und umzusetzen. Zwei zentrale Anliegen möchte ich starkmachen; dort können und dort müssen wir handeln.

Erster Punkt: Koordination. Ich habe mit einer Vielzahl von Einsatzkräften gesprochen. Sie beschrieben mir den Wirrwarr durch unterschiedliche Standards und Benennungen in den einzelnen Bundesländern. Im ersten Moment weiß kaum jemand außerhalb Bayerns, was der Wasserrettungszug der bayrischen Wasserwacht leisten kann, der im Einsatz war. Dementsprechend wurde er eingesetzt, nämlich zum großen Teil gar nicht.

Die Schwierigkeit der Verständigung zeigt sich leicht an einem kleinen Beispiel: Fährt der thüringische Rüstwagen mit dem Funkrufnamen „Florian Dornburg-Camberg 71/1“ nach Reinland-Pfalz zum Helfen, dann steht die „71“ im Funkverkehr für ein Mehrzweckfahrzeug. Keiner weiß, was das ist. Fährt er weiter nach NRW, ist die „71“ auf einmal ein Feuerwehrkran. Die Funkkennung verliert einen Teil ihrer Funktion und bremst damit aus. Beispiele wie dieses – es ist nur ein kleines – gibt es zuhauf. Sie zeigen, dass unterschiedliche Sprachen zwischen den Bundesländern existieren. All das bremst und macht den Einsatz langsamer – wertvolle Zeit, die Menschenleben kosten kann.

Das GeKoB, das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz, bietet jetzt die Möglichkeit, dass Bund und Länder das Problem dieses Wirrwarrs lösen mit Vereinbarungen zum gemeinsamen Vorgehen und einer Lagebildübersicht. Sollte die Freiwilligkeit hier scheitern, müssen wir uns im Parlament Gedanken machen, wann wir diesen Zustand im Sinne der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr dulden können, und selbst bundesweit Mindeststandards einführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])

Zweiter Punkt: Warnung. Unser Warnnetz ist löchrig; das zeigt die Katastrophe, das zeigt der Warntag in Bayern. Cell Broadcasting kommt noch, Warn-Apps sind viel zu wenig verbreitet, Sirenen lückenhaft vorhanden, oft nicht ansteuerbar für den Alarm. Das ist eine Situation, in der sich kein Akteur, weder Kommune noch Land noch Bund, ausruhen darf. Gerade deswegen braucht es jetzt jeden Schwung, um mehr Abdeckung zu erreichen, um jeden zu erreichen.

Ich sage: Ja, wir als Bund müssen das Sirenenförderprogramm weiterführen, Cell Broadcasting kommt. Ich würde so weit gehen, dass wir die NINA-Warn-App auf jedem Handybetriebssystem vorinstallieren lassen. Aber die Länder müssen eigene Sirenenförderprogramme komplementär einrichten. Die Kommunen müssen jetzt vor Ort spezifische Warnkonzepte anlegen. Hier nur auf den Bund zu warten, ist, wie das Wort „warten“ schon sagt, zu langsam. Lassen Sie uns vorangehen!

Ein Fazit: Noch nie war die Einsicht so groß, dass Veränderungen im Bevölkerungsschutz notwendig sind, wie zurzeit. Wir arbeiten daran. Wir wollen umsetzen. Helfen Sie mit, die Probleme zu lösen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Es folgt Steffen Janich für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Matthias Helferich [fraktionslos])