Rede von Lukas Benner Letzte Generation
Lukas Benner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Terrorismus, Bedrohung für die verfassungsgemäße Ordnung und RAF-Vergleiche – wenn man der Rede von Herrn Brandner zugehört hat, dann fragt man sich:
(Stephan Brandner [AfD]: Hat er recht?)
Was diskutieren wir hier eigentlich? Wir diskutieren den Antrag einer Partei, deren eigene Jugendorganisation erst vor Kurzem vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wurde. Wir diskutieren den Antrag einer Partei, die ebendiese Jugendorganisation, die gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung kämpft, in ihrer Satzung als „Innovationsmotor“ bezeichnet, sie öffentlich verteidigt und mit Parteigeldern durchfüttert. Ja, Sie haben richtig gehört: Wir diskutieren einen Antrag der AfD.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Sie zeigen in jeder Rede hier Ihre Verachtung für die Freiheit, für die Demokratie und die offene Gesellschaft.
(Lachen bei der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Und Sie zeigen in jeder Rede, wie blöd Sie sind!)
Deswegen nimmt Ihnen niemand diesen billigen Versuch ab, einen Haufen Aktivistinnen und Aktivisten als größere demokratische Bedrohung darzustellen, als Sie es sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der AfD)
Und was mich besonders stutzig macht – das müssten Sie mir noch einmal erklären –, ist, warum der Verfassungsschutz in diesem Antrag vorkommt und seinen Teil leisten muss.
(Stephan Brandner [AfD]: Das habe ich Ihnen erklärt!)
Denn bei jeder Gelegenheit betonen Sie doch, dass Sie ihn für ein politisch gesteuertes Gremium halten; Herr Frömming hat eben erst in der Debatte zum Bürgerrat, wo es ja so gar nichts zu suchen hatte, gesagt, wir würden den Verfassungsschutz instrumentalisieren.
(Jörn König [AfD]: Das stimmt auch!)
Und jetzt auf einmal, wenn er gegen diejenigen vorgeht, die auch Sie als Feinde ansehen, ist der Verfassungsschutz wieder gut genug, dass man mit ihm reden kann. Ich verstehe das noch nicht so ganz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Brandner?
Lukas Benner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nein.
(Stephan Brandner [AfD]: Ich will Ihnen das erklären, was Sie eben nicht verstanden haben! Wollen Sie es erklärt haben oder nicht? – Gegenruf des Abg. Tobias B. Bacherle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Erklärung braucht niemand!)
Nehmen wir den Verfassungsschutz beim Wort. Was sagt der Verfassungsschutz zur „Letzten Generation“? Ist sie nach aktuellen Erkenntnissen extremistisch? Muss man RAF-Vergleiche anstellen? Zitat des Verfassungsschutzes: Nonsens.
Meine Damen und Herren, ich habe an dieser Stelle schon mehrfach betont: Ich halte die Protestform der „Letzten Generation“ für kontraproduktiv. Ich glaube nicht, dass sie uns dabei hilft, die so dringend erforderlichen gesellschaftlichen und politischen Mehrheiten für mehr Klimaschutz durchzusetzen.
(Jörn König [AfD]: Klima kann man nicht schützen! Das ist eine statistische Größe!)
Einzelne Aktionen – sie wurden hier schon genannt – wie das Beschmieren des Grundgesetzkunstwerks vor diesem Hohen Hause halte ich für mehr als daneben.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Für mich ist klar: Die Grenze von legitimem Protest verläuft dort, wo entweder Menschen gefährdet werden oder die Demokratie verächtlich gemacht wird.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Aber gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass wir gerade in dieser Debatte die Verhältnismäßigkeit im Blick behalten sollten. Die historischen Vergleiche, die Sie anführen, die rhetorische Eskalation in Ihren Reihen, aber auch in Reihen der Union, stehen in keinem Verhältnis zu dem, was die „Letzte Generation“ eigentlich fordert. Wir können über die Protestform sprechen, wir können streiten, wir können sie verurteilen, wir können auch benennen, dass es Straftaten sind, aber die Forderungen nach einem 9-Euro-Ticket oder einem Tempolimit
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: … sind ideenlos!)
sind vielleicht nicht superambitioniert, aber sie sind vor allem nicht extremistisch.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP] – Zurufe von der CDU/CSU)
Dass durch eine solche Forderung und durch das Ankleben auf der Straße die verfassungsmäßige Ordnung bedroht ist, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, glaubt doch wirklich niemand.
(Martin Hess [AfD]: Frau Neubauer hat es doch im Fernsehen gesagt!)
Sie tun so, als würden ein paar Aktivistinnen und Aktivisten, die sich auf der Straße ankleben, eine Gefahr für die Demokratie sein. Es handelt sich doch offenkundig bei der „Letzten Generation“ um eine heterogene Gruppe,
(Zuruf von der AfD: Terroristen!)
deren Vertreterinnen und Vertreter um einen Termin bei Volker Wissing bitten, dorthin in Anzug und Schlips kommen und fragen, ob das Tempolimit kommen kann.
(Martin Hess [AfD]: Das ist schlimm genug!)
Das ist ambitioniert. Sie machen auch Protest, aber es ist doch kein Extremismus.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Mittel Ihrer Wahl ist das Vereinsverbot. Artikel 9 Absatz 1 unseres Grundgesetzes sagt, dass alle Deutschen das Recht haben, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Die Grenzen für ein Vereinsverbot sind deswegen aus guten Gründen eng.
(Stephan Brandner [AfD]: Lesen Sie mal Absatz 2! Lesen Sie mal einen Absatz weiter!)
Gründe können Verstöße gegen Strafgesetze sein, und dafür brauchen wir einen strafrechtswidrigen Zweck. Der Zweck der „Letzten Generation“, auf mehr Klimaschutz aufmerksam zu machen, ist nun wirklich kein Verstoß gegen die Strafgesetze.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ja, ja, ja! Wahnsinn! Und das von einer Regierungspartei!)
Ein anderer Grund wäre ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Ordnung. Auch da muss man sagen: Das ist hier nicht gegeben.
Mit Ihrem Antrag bleiben Sie aber Ihrem Stil treu: Er hat wenig Substanz und hat umso mehr Unwahrheiten.
(Martin Hess [AfD]: Wenn Sie unsere Anträge inhaltlich nicht verstehen, ist das Ihr Problem!)
Deswegen möchte ich hier eine Tatsache noch einmal sehr deutlich klarstellen: Sie schrecken in Ihrem Antrag nicht davor zurück, den Tod einer Radfahrerin in Berlin im letzten Jahr zu instrumentalisieren und mit den Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ in Verbindung zu bringen,
(Stephan Brandner [AfD]: Das haben die selber gemacht!)
obwohl die Berliner Staatsanwaltschaft klargestellt hat, dass keine Verbindung besteht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP] – Zuruf des Abg. Martin Hess [AfD])
Meine Damen und Herren, wir haben heute gehört, die „Letzte Generation“ sei eine Bedrohung für die verfassungsgemäße Ordnung. Eine echte Bedrohung für die verfassungsgemäße Ordnung
(Zuruf von der AfD: … sind die Grünen!)
sind rechtsextreme Richterinnen und Richter und Beamte. Deswegen haben wir als Ampel uns vorgenommen, Verfassungsfeinden im Dienst den Kampf anzusagen. Deswegen bin ich grünen Landesministerinnen wie Katja Meier in Sachsen dankbar, dass sie das Anliegen vorangebracht haben, und ich bin froh, dass wir diesen Gesetzentwurf morgen hier im Deutschen Bundestag diskutieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Der Rechtsextremismus in all seinen Erscheinungsformen – ob Reichsbürger, ob rassistische Jugendbanden, wie am Wochenende in Brandenburg, oder unter dem Deckmantel politischer Parteien – ist die größte Gefahr für unsere Demokratie. Wir können stolz sein; denn unsere Demokratie ist wehrhaft.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Das Wort erhält für eine sehr kurze Kurzintervention Stephan Brandner.
(Beifall bei der AfD – Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)