Rede von Lukas Benner Linksextremismus effektiver bekämpfen – Risikobewertungsinstrument „RADAR-links“ für linksextremistische Gewalttäter einführen

Lukas Benner MdB
15.06.2023

Lukas Benner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Vor rund zwei Wochen, am 29. Mai, haben wir in meinem Bundesland NRW und im ganzen Land an einen ganz besonders schrecklichen Tag in unserer Geschichte gedacht. Genau vor 30 Jahren, am 29. Mai 1993, wurden in Solingen durch einen rassistischen Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç fünf Menschen umgebracht. Mevlüde Genç, die bei dem Anschlag fast ihre gesamte Familie verlor, setzte sich zeit ihres Lebens für Versöhnung ein. Für diesen angesichts der Umstände schier unglaublichen Einsatz wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Meine Damen und Herren, die grausamen, rassistischen Morde von Solingen stehen nicht für sich alleine: die Mobs von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen, die Mordserie des NSU, der Mord an Walter Lübcke, der Anschlag von Hanau mit neun Toten, die „Gruppe Freital“, die Reichsbürger. Die Liste an Beispielen rechter Gewalt lässt sich traurigerweise lange fortführen. Erst heute Morgen lief es in den Nachrichten: Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsheime ist zu Jahresbeginn sprunghaft angestiegen. An der gesellschaftlichen Stimmung in diesem Land, die solche Taten begünstigt, haben Sie einen erheblichen Anteil.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das zeigt nur allzu deutlich: Der Rechtsextremismus ist und bleibt aktuell die größte Herausforderung für unsere Freiheit und unsere Demokratie. Entsprechend müssen wir uns ihm mit allen notwendigen Mitteln entgegenstellen.

Der Mord an Walter Lübcke durch einen Neonazi und der rassistische Anschlag von Hanau waren auch die Anlässe für die Einführung des sogenannten RADAR-rechts, mit dem das BKA verstärkt gegen rechtsextreme Gefährder und Gewalttäter vorgeht. Dieses Instrument wollen Sie nun mit Ihrem Antrag auch auf Linksextremisten ausweiten. Aber es handelt sich hierbei ganz offensichtlich um eine Nebelkerze; die Behörden haben den Linksextremismus doch längst im Blick.

(Martin Hess [AfD]: Das haben wir ja bei Lina E. gesehen!)

Schauen wir einmal auf die Zahlen. In der jüngsten Kriminalstatistik ist die Zahl der sogenannten Politisch motivierten Kriminalität-links um mehr als 30 Prozent zurückgegangen. Über 23 000 rechtsextremen Taten stehen weniger als 7 000 linksextreme Taten gegenüber. Die Schlussfolgerung daraus ist doch, nicht den Linksextremismus zu vernachlässigen, sondern klar zu sagen: Der Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung. Was die Frage eines etwaigen Terrorismus betrifft, die Sie hier in den Raum stellen, so hat die Bundesregierung ja erst vor wenigen Wochen auf eine Ihrer Anfragen geantwortet, dass konkrete Anhaltspunkte für aktuell bestehende linksterroristische Strukturen derzeit nicht vorliegen.

Wir nehmen die Gefahr des Linksextremismus für unsere Demokratie so ernst, wie sie ist. Wir haben sie im Blick, und der Fall Lina E. zeigt doch deutlich, dass die Behörden sehr aufwendig ermitteln. Ich will das Urteil an dieser Stelle überhaupt nicht weiter kommentieren. Es steht uns als Parlamentariern und auch dem Bundesjustizministerium nicht gut zu Gesicht, aus der Ferne über einen komplexen Gerichtsprozess zu urteilen.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Aber dem Sprecher der Grünen Jugend! Der darf das!)

So viel kann ich aber sagen: Das Gericht hat es sich mit rund 100 Verhandlungstagen sicher nicht leichtgemacht. Der Vorsitzende Richter, der hier auch schon häufiger zitiert wurde, hat in seiner mehrstündigen Urteilsverkündung noch mal darauf hingewiesen, dass der Rechtsextremismus die größte Gefahr für unsere Demokratie ist. Er hat auch darauf hingewiesen, dass Gewalt und Selbstjustiz in unserem Land durch nichts zu rechtfertigen sind. Dieser Einschätzung ist nichts weiter hinzuzufügen.

Mein ganz ehrlicher Eindruck ist nun wirklich nicht, dass die deutschen Behörden die Ermittlungen gegen Linksextremismus vernachlässigen. Vielmehr ist es doch so: Die Behörden waren jahrelang auf dem rechten Auge blind. Der NSU ist hierfür das erschreckendste Beispiel, aber auch nicht das einzige. Es ist zu begrüßen, dass in den Sicherheitsbehörden vielerorts ein Umdenken eingesetzt hat und mutige Beamtinnen und Beamte Bescheid geben, wenn Kolleginnen und Kollegen rechtsextreme Tendenzen zeigen.

Aber es gibt noch etwas zu tun. Deswegen ist es wichtig, dass wir als Ampel weiter in Präventionsprogramme investieren, dass wir extremistischen Tendenzen entgegentreten und dass wir das Disziplinarrecht verschärfen, um Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst etwas entgegenzusetzen. Angriffen auf unsere Demokratie werden wir uns immer wehrhaft entgegenstellen, egal von welcher Seite sie kommen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Benner. – Nächster Redner ist der Kollege Philipp Hartewig, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)