Rede von Lisa Badum LNG-Beschleunigung und Energiewirtschaft

Foto von Lisa Badum MdB
21.06.2023

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht gut, abhängig zu sein, und es ist auch nicht gut, verletzlich zu sein. Das aber war genau unsere Situation – ich möchte noch mal daran erinnern – im Februar 2022, als 50 Prozent unserer Gaslieferungen von einem Kriegsaggressor abhängig waren. Diese Abhängigkeit hat uns in ein energiepolitisches und außenpolitisches Korsett gezwängt. Ich weiß nicht, was Ihre oder eure Schlussfolgerung daraus ist. Meine ist: Ich möchte nie wieder so abhängig und verwundbar sein wie damals.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Michael Kruse [FDP] – Karsten Hilse [AfD]: China! 95 Prozent chinesische Photovoltaikanlagen!)

Deswegen haben wir in der Krise kurzfristig gehandelt und auch sehr schmerzhafte Entscheidungen getroffen, besonders schmerzhaft für uns Grüne; aber es musste sein. Es ist der gemeinsamen Anstrengung dieser Regierung, Robert Habeck, dem BMWK und auch der Geschlossenheit dieser Regierung zu verdanken, dass wir über den Winter gekommen sind.

Ganz klar ist, dass wir das alte, kurzfristige Denken – Fördern von Gasheizungen, Russland-Connections und anderes – ablösen wollen durch einen langfristigen Plan zur Klimaneutralität. Klar ist aber auch – und deswegen reden wir heute hier darüber –, dass wir nicht von einem Tag auf den anderen unabhängig von Gas sind. Genau deswegen müssen wir dieses Dilemma der Abhängigkeit hier jeden Tag neu zur Debatte stellen.

Wenn wir ebendiesem Anspruch gerecht werden wollen, dann ist auch die heute auf der Tagesordnung stehende Frage neuer LNG-Terminals auf Rügen keine, bei der wir es uns einfach machen sollten.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Macht ihr aber!)

Deswegen kann ich den – wenn auch nicht besonders eleganten und teilweise sehr durchsichtigen – Schlingerkurs der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern verstehen, die ja eine Nord-Stream-2-Vergangenheit hat und die erst ein Terminal im Osten wollte, sich jetzt aber fragt: Können wir das unseren Bürgerinnen und Bürgern zumuten? Ich persönlich stelle mir auch eine Frage, und diese Frage ist, wie wir eine Verantwortung in der Energiepolitik wahrnehmen können, die die Freiheit der zukünftigen Generationen sichert. Wie gesagt, das sollten wir uns alle hier nicht einfach machen.

Wenn wir uns die Daten der Bundesnetzagentur anschauen, so sehen wir, dass es viele Szenarien, Eventualitäten, Worst-Case-Punkte gibt, die zusammenkommen könnten: dass wir aus dem Westen sehr wenig Gas bekommen, dass die Lieferungen über die Ukraineroute eingestellt werden, dass es einen sehr kalten Winter gibt. Dann könnten wir vielleicht auf diese Terminals angewiesen sein. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass wir durch neue LNG-Terminals, durch die unbegrenzt fossiles Gas in Deutschland umgeschlagen werden kann – es gibt keine Begrenzung –, zu einem Hub für Erdgaslieferungen aus aller Welt werden, dass wir neue Gasprojekte in aller Welt – wir alle kennen das Thema Senegal; aber auch in den USA werden sehr viele Exportterminals gebaut – weiter anheizen.

(Karsten Hilse [AfD]: Genau das wollen Sie! Es geht nicht darum, dass es notwendig ist! Sie wollen einfach Geschäfte damit machen!)

Das wäre mit der Freiheit zukünftiger Generationen eben nicht vereinbar.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen meine abschließende Frage: Können wir sicherstellen, dass wir aktuell nicht zu viele fossile Überkapazitäten aufbauen?

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das sollten Sie nicht sagen!)

Können wir sicherstellen, dass wir über diese Terminals nicht mehr Gas importieren, als unsere Klimaziele erlauben? Ich muss hier und heute feststellen, dass diese Frage für mich, aber auch für viele Bürgerinnen und Bürger noch nicht beantwortet ist.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Aber vorher Fakten schaffen! Unfassbar!)

Sind diese Terminals wirklich nötig? Aus meiner heutigen Sicht kann ich dazu kein klares Ja als Antwort geben.

(Karsten Hilse [AfD]: Sie ziehen es trotzdem durch!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Und wir warten auch weiter auf ein kraftvolles Ja der Landesregierung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist meine Erwartung an das parlamentarische Verfahren, dass wir diese Frage dort gemeinsam klären können.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Anna Kassautzki [SPD])

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Andreas Mattfeldt für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)