Rede von Britta Haßelmann Lobbytätigkeit und Transparenz von Nebeneinkünften von Abgeordneten

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26.03.2021

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich knüpfe an die Rede von Herrn Korte an. Auch wir haben der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU/CSU, der Fraktion der FDP und der Linken geschrieben. Wir haben die Generalsekretäre und die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer angeschrieben – schon vorletzte Woche, nach Bekanntwerden der ersten Skandale – und darum gebeten, dass wir im Parlament gemeinsam etwas beschließen, weil durch die Bestechung, durch die Korruption, durch die Geschäftemacherei Einzelner eine tiefe Vertrauenskrise entstanden ist. Diese Vertrauenskrise hat das ganze Parlament getroffen. Deshalb haben wir Sie angeschrieben, genau wie die Linken. Wir haben von Ihnen noch nicht einmal eine Antwort erhalten, meine Damen und Herren! So ist die Lage. Und dann sagen Sie heute mit großer Geste: Wir laden Sie alle ein. Kurz vor der Debatte haben wir das Eckpunktepapier an die „Tagesschau“ lanciert. – Ich hätte anderes erwartet nach dem Gesprächsangebot, das wir Ihnen gemacht haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Am Dienstag in der Geschäftsführerrunde haben wir noch einmal insistiert, noch einmal gefragt, ob wir nicht reden sollen. Der Kollege Schneider hat nach dreimaliger Aufforderung geantwortet. Herr Grosse-Brömer hat uns erklärt, nein, jetzt mit uns zu reden, ginge auf keinen Fall, das würden sie erst in der Koalition, dann kämen sie irgendwann auf uns zu. So sieht Zusammenarbeit aus? Ich habe davon eine andere Vorstellung, vor allen Dingen in einer solch kritischen Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Nun weiter in der Sache. Nüßlein, Löbel, Hauptmann, Sauter, allesamt von der CDU/CSU, bereichern sich persönlich im Rahmen der Maskenaffäre und betreiben Geschäftemacherei in und durch die Coronakrise, während gleichzeitig so viele Menschen, Unternehmen, Familien und Kinder unter der Pandemie leiden. Das ist zutiefst unanständig, und das spüren die Menschen. Das ist schäbig, meine Damen und Herren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Eduard Lintner von der CSU, Axel Fischer, Tobias Zech, allesamt sind sie in die Aserbaidschan-Affäre verstrickt. Auch das wissen die Menschen inzwischen. Die Menschen nehmen das wahr. Das sind keine Einzelfälle.

Gauweiler, bis 2015 CSU-Bundestagsabgeordneter, hat während seiner Zeit im Bundestag in den Jahren 2008 bis 2015 Beraterhonorare in Höhe von 11 Millionen Euro kassiert. Es gab offenbar – so die Presseberichterstattung – regelmäßig Rechnungen über vereinbarte Pauschalhonorare von oder an einen gewissen Herrn Finck. Der Name Finck kam uns zuletzt im Zusammenhang mit dem Parteispendensumpf der AfD unter. Da wurde der Name Finck genannt, und jetzt bei Gauweiler wieder.

Im Übrigen hat die AfD aus meiner Sicht längst jede Glaubwürdigkeit in dieser Frage verloren,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

ja, sie hat sie nie gehabt. 500 000 Euro Strafzahlungen haben die Herren und Damen von der AfD bisher entrichtet. Weitere Verfahren sind in Prüfung. Also, Leute, die sich nicht an Recht und Gesetz halten, haben hier dem Parlament keine Ratschläge zu erteilen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Alfred Sauter, CSU, offenbar tief verstrickt in die Maskenaffäre, blickt auf eine 40-jähige Parteikarriere in der CSU. Es reicht! Politiker Ihrer Partei machen sich den Staat zur Beute, mitten in der Pandemie. Es geht längst nicht mehr nur um Transparenz und Offenlegung von Lobbyarbeit, es geht um das Vertrauen in unsere Demokratie, es geht um das Ansehen von Politik insgesamt, und es geht verdammt noch mal auch um Anstand.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Hören Sie endlich auf, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, von Einzelfällen zu reden. Das wäre der erste Anknüpfungspunkt für Besserungen. Das wäre der erste Anknüpfungspunkt für Änderungen. Die CDU/CSU hat ein strukturelles Problem, und das wissen Sie ganz genau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ein Blick in die Vergangenheit und ein Blick in die Gegenwart machen das deutlich: Schwarze Kassen, Amigo-Affäre, Affäre um Scheinselbstständigkeit von Verwandten, Amthor-Affäre, Aserbaidschan-Connection, Maskengeschäftemacherei, Vorwürfe zu Bestechung, Korruption und Bereicherung, die im Raum stehen, politische Landschaftspflege als Alltagsmodell sowie Vetternwirtschaft. Das ist ein strukturelles Problem, das hat System, und das haben Sie geduldet. Sie haben das mindestens geduldet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie haben ein massives Problem bei der Frage des Verhältnisses von wirtschaftlicher Macht, Geld, Einfluss zu sauberer Politik und Gemeinwohl. Das müssen Sie erkennen. Warum haben Sie denn die letzten Jahre geschwiegen? Sie wussten doch, dass es solche Abgeordneten gibt wie den Kollegen Pfeiffer, die 15 Nebenjobs haben und mehr. Da kann man doch nicht sagen, es ginge um Berufstätigkeit Einzelner! Auch wir sind dafür; denn nicht alle sind im öffentlichen Dienst gewesen, und vielleicht will der eine oder andere in seinen Beruf zurückkehren. Aber bei 15 Nebeneinkünften und mehr hört es auf!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Oder nehmen Sie die Beratungshonorare, meine Damen und Herren. Die Höhe der Beratungshonorare von Herrn Ramsauer beträgt 500 000 Euro. Finden Sie das normal? Nein, ich finde es nicht normal, dass man neben seinem Abgeordnetenmandat hier im Bundestag, das im Mittelpunkt der Tätigkeit steht, so viel Geld verdient.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir können so weitermachen. Gauweiler war in der letzten Legislaturperiode bei über der Hälfte der namentlichen Abstimmungen nicht da. Hat Sie das interessiert? War das einmal Thema in Ihrer Fraktion? Tun Sie doch bitte nicht so, als seien das Einzelne, die jetzt aus Ihrer Partei ausgetreten sind. Sie haben da ein Problem.

Was wir jetzt nicht brauchen, sind ein freiwilliger Verhaltenskodex, eine Ehrenerklärung. Das sehen Sie ja daran, dass auch Herr Hauptmann eine Ehrenerklärung unterschrieben hat. Ja, er hat vor zwei Wochen noch eine Ehrenerklärung unterschrieben.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Frau Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir brauchen jetzt konkrete Initiativen. Entgeltliche Lobbyarbeit muss endlich gestoppt werden, und wir brauchen viele weitere Punkte zur Verschärfung der Parteienfinanzierung. Dazu haben wir heute einen Antrag vorgelegt.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Haßelmann, es tut mir leid. Sie müssen zum Schluss kommen.

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wissen Sie, dass wir heute darüber abstimmen? Wir haben einen Antrag hier vorliegen, über den wir sofort abstimmen können, der sämtliche Forderungen zu Transparenz und Veröffentlichungspflichten enthält.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Die können bitte bis zur Abstimmung noch nachgelesen werden, aber nicht mehr vorgetragen werden.

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Darüber können wir heute abstimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)