Rede von Margit Stumpp LTE-Netz in Deutschland
Margit Stumpp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Ausbauzustand des Mobilfunknetzes insgesamt – wir haben es schon gehört – ist erbärmlich. Die Versorgung mit LTE kann den Bedarf bei weitem nicht decken. Da drängen sich die Fragen auf: Wo liegen die Ursachen? Wie kann das in einem hochindustrialisierten Land sein, dessen Wohlstand von Wissen, Information und Kommunikation abhängig ist? Es fehlt weder an Technik noch an Kapital; aber es fehlen die geeigneten Rahmenbedingungen.
Hinzu kommt: Digitale Infrastruktur war die letzten vier Jahre bestenfalls Randthema im zuständigen Ministerium. Kein Wunder, wenn man sich über eine ganze Legislatur hinweg primär, aber umso erfolgloser mit der Umsetzung eines sinnlosen Wahlversprechens wie der Pkw-Maut beschäftigt!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hat man sich dort überhaupt mit Technik befasst, dann vorzugsweise mit Übergangstechnologien. Egal ob Diesel oder Vectoring – es ging um alte Technologien, die allesamt in die Sackgasse führen. Das ist ganz kleines Karo. Dabei wäre Weitsicht vonnöten gewesen. Großes Karo fand sich aber bestenfalls auf dem Anzug des Ministers.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch fachlich gab es Orientierungslosigkeit. Eine Antwort auf die Frage nach der Förderung von Breitband war, 60 Prozent der Mittel seien in Glasfaser geflossen. Das heißt also, 40 Prozent flossen in Kupfer. Eine andere Antwort war indes, es werde ausschließlich Glasfaser gefördert. – Da weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut. Zudem kennt man die eigenen Förderrichtlinien nicht.
Die derzeitige Abdeckung der Fläche mit LTE kann auf Nachfrage nur geschätzt werden. Ob die genannten 60 Prozent stimmen, ist fraglich. Bei der Prüfung der Versorgungsauflagen verlässt man sich auf Konzernangaben und erhebt lediglich Stichproben. Das Verfahren hat sich ja schließlich, siehe Abgasskandal, bestens bewährt. Wenn man dann noch sieht, dass die Hälfte der bisherigen Förderungen an die Telekom geht, die historisch gewachsene Verbindungen pflegt und ehrgeizige kommunale Glasfaserprojekte immer noch mit Kupferausbau konterkariert, bekommt man eine grobe Ahnung davon, warum Deutschland beim Ausbau der digitalen Infrastruktur im Ranking ganz weit hinten steht, übrigens deutlich weiter hinten als auf dem Korruptionsindex.
Jetzt könnte man sagen: „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!“, oder: „Neue Regierung, neues Spiel!“ Irrtum! Weit gefehlt! Anstatt die notwendigen Konsequenzen aus den genannten Missständen zu ziehen und das Querschnittsthema Digitalisierung zu priorisieren und zu bündeln, gibt es bald ein Ministerium für Heimat.
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Gute Entscheidung!)
Man reibt sich die Augen und fragt nach dem Sinn. In meiner Naivität habe ich bisher gedacht, es sei Aufgabe jedes Ministeriums, dafür zu sorgen, dass Deutschland Heimat ist. Heimatministerium, das ist akustisch nahe an Heimatmuseum.
Nun, Heimat kann man auch modern interpretieren. Jugendliche beschreiben Heimat gerne als Ort, wo die drei Balken sind. Für diejenigen, die das Internet bis vor kurzem noch als Neuland betrachtet haben: Damit sind nicht die Balken vor dem Kopf gemeint, sondern die Balken für den Netzstatus bei mobilen Endgeräten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
So interpretieren übrigens nicht nur junge Menschen den Begriff Heimat, sondern auch Wirtschaft und Wissenschaft. Digitale Infrastruktur und auch die Sicherheit der digitalen Infrastruktur gehören faktisch zur klassischen Daseinsvorsorge.
Wenn wir gleichwertige Lebensverhältnisse und die Zukunftsperspektiven von Menschen und Wirtschaft in Deutschland sichern wollen, brauchen wir eine Beschleunigung des Aufbaus eines engmaschigen Glasfasernetzes und parallel dazu den Ausbau von 5G. Diese Tatsache bietet eigentlich die Steilvorlage für eine strukturierte und integrierte Planung des Glasfaserausbaus hin zu einem Gigabit-Netz. Doch was hat die GroKo in dieser Hinsicht vor? – Nichts! Sie überlässt die wesentliche Basis für erfolgreiche Digitalisierung, den flächendeckenden Glasfaserausbau, dem freien Spiel der Kräfte und dem bisher erfolglosen Ministerium für Verkehr.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Google zeigt bei Eingabe der drei Stichwörter „Deutschland verschläft Digitalisierung“ rund 256 000 Ergebnisse. Das manifestiert ein Armutszeugnis für die Digitalisierungspolitik der bisherigen Regierung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit einem Weiter-so wird Deutschland den Anschluss an die digitale Avantgarde nicht schaffen. Wir brauchen gezielte Schritte hin zu einer strukturierten Digitalisierungsoffensive, hin zur digitalen Daseinsvorsorge. Das heißt für die neue Regierung – so sie denn kommt –: Ändern Sie Ihre Strategie! Stellen Sie sich endlich dieser Herausforderung!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)