Rede von Markus Tressel Gesellschaftlicher Zusammenhalt
Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was brauchen wir denn für ein „Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land“, wie es in der Überschrift Ihres Antrages heißt? Wir brauchen lebendige Ortskerne, gute soziale, kulturelle und medizinische Angebote, zukunftsfähige Modelle für Wohnen und Arbeit, eine wirklich gute digitale Anbindung, und wir brauchen neue Mobilitätskonzepte. Das ist das, was die Menschen in ländlichen und auch strukturschwachen Regionen erwarten. Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, beschreiben Sie in Ihrem Antrag die bekannten Probleme richtig, mit denen die Menschen da tagtäglich konfrontiert sind. Aber Sie schreiben ja auch, was zu tun ist, um die Situation zu verbessern. Das zeigt doch klar: Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern wir hatten ein echtes Umsetzungsdefizit in der jüngeren Vergangenheit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Probleme sind bekannt, die Lösungen zu einem großen Teil auch, und jetzt muss endlich gehandelt werden. Das ist es, was wir und die Menschen da draußen von dieser Koalition erwarten. Tun Sie doch endlich das, was Sie hier einfordern. Wir könnten schon viel weiter sein, wenn Sie das nicht immer nur aufschreiben, sondern auch mal umsetzen würden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Frau Connemann, Sie haben hier eben für Bürokratieabbau beim Ehrenamt geworben. Wer regiert denn in diesem Land schon viele, viele Jahre? Warum haben Sie es denn in den vergangenen Jahren nicht gemacht?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist eine Frage, die Sie sich an dieser Stelle stellen lassen müssen.
In Ihrem Antrag geht es ja viel um die Bedeutung der Digitalisierung für die ländlichen Räume. Sie fordern einen zügigen Breitbandausbau auf Glasfaserbasis. Das ist richtig. Beschlossen haben Sie in der letzten Wahlperiode aber Vectoring auf Kupferbasis, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie sprechen an dieser Stelle mit gespaltener Zunge.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das hätten Sie in der vergangenen Wahlperiode mit Ihrer großen Mehrheit längst auf die Schiene setzen können; die Digitalisierung ist ja nicht gestern vom Himmel gefallen. Fragen Sie die Leute in den vielen Dörfern doch einmal, was da angekommen ist. Insofern stellen Sie sich mit diesem Antrag auch ein Arbeitszeugnis für die letzten fünf Jahre Ihrer Arbeit aus.
Eine gute digitale Anbindung ist nicht nur eine Bequemlichkeitsfrage; sie ist auch eine Frage der wirtschaftlichen Prosperität. Industrie und Mittelstand müssen auch im ländlichen Raum wettbewerbsfähig bleiben, und neue Arbeitsmodelle müssen auch in ländlichen Regionen funktionieren, von der Landwirtschaft ganz zu schweigen.
Dazu gehört aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass man den Menschen in den betroffenen Regionen die richtigen Signale gibt. Da schreiben Sie in Ihrem Antrag auf der einen Seite über ambitionierte Ziele beim Breitbandausbau, und auf der anderen Seite rumpelt Ihre Forschungsministerin mit Milchkannendebatten durch die Gegend und verunsichert die Leute. Das geht nicht zusammen; das muss man an dieser Stelle auch einmal klar und deutlich sagen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist genau das, was die ländlichen Räume und die Menschen dort nicht brauchen. Sie brauchen ein klares Bekenntnis zur Zukunftsfähigkeit ihrer Regionen und in der Folge dann auch konkretes Handeln. Was sie nicht brauchen, ist Abwertungsrhetorik à la Milchkanne. Das hilft nicht, das schadet am Ende.
Es gibt neben der Digitalisierung auch weitere Themenfelder, an die wir ranmüssen. Wir müssen unsere Ortskerne wieder stark machen und da auch die Länder in die Pflicht nehmen, und wir müssen hochkomplexe Fördersysteme einfacher gestalten. Das Geld muss endlich dorthin, wo es auch gebraucht wird – über Modellprojekte hinaus. Wir brauchen regionale Impulsprozesse, und deshalb müssen wir endlich ernsthaft auch über eine dritte Gemeinschaftsaufgabe zur regionalen Daseinsvorsorge diskutieren, die so etwas mitfinanzieren kann. Der von Ihnen gelobte Sonderrahmenplan ist ein erster Schritt – das will ich gerne zugestehen –; aber er wird es am Ende alleine nicht rausreißen.
Insofern ist diese Debatte nicht nur eine Debatte über Infrastruktur. Unsere Gesellschaft befindet sich ja im Wandel hin zu einer Wissensgesellschaft, und das wird auch regionale Wirtschaftskreisläufe in den Regionen verändern. Deswegen müssen wir in dieser Debatte zwingend auch über Bildungsgerechtigkeit, Forschung und Entwicklung sprechen. Dazu habe ich in Ihrem Antrag leider zu wenig bis gar nichts gefunden. Das finde ich außerordentlich bedauerlich.
Abschließend und zusammenfassend: Um gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein gutes Leben auf dem Dorf, in den ländlichen Regionen sicherzustellen, muss die Große Koalition endlich auch ihren Willen zur Umsetzung zeigen. Mit Antragstellen alleine ändert sie nichts. Fangen Sie endlich an! Dann kann es auch was werden. Aber Sie müssen auch wirklich was machen und nicht nur schöne Anträge schreiben.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)