Rede von Corinna Rüffer Marrakesch-Richtlinie

18.10.2018

Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe verbliebene Abgeordnete! Es sind um die Uhrzeit noch erstaunlich viele hier. Ich möchte an dieser Stelle preisgeben, dass Sie heute die Debatte über dieses Thema genießen dürfen, weil wir darauf bestanden haben, dass wir heute darüber diskutieren. Ich finde es wichtig, dass wir über dieses Thema diskutieren, auch wenn wir es zu später Stunde tun. Das Thema ist zu wichtig, um es zu Protokoll zu geben. Nachdem wir schon die erste Lesung ohne Debatte durchgeführt haben, ist es an der Zeit, über die Marrakesch-Richtlinie zu reden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Richtung AfD möchte ich in diesem Zusammenhang doch einen Satz verlieren. Als Sie in den Bundestag eingezogen sind, haben Sie gesagt: Sie werden den anderen das Arbeiten beibringen und keine Debatten zu Protokoll geben, sondern diese führen. – Dass Sie nun ausgerechnet bei einer behindertenpolitischen Debatte sagen: „Die ist uns so unwichtig, dass sie zu Protokoll geht“,

(Stephan Brandner [AfD]: Bei den Whistleblowern war das anders! Da waren wir vorne!)

lässt Sie in einem bestimmten Licht erscheinen und bestätigt das, was wir immer vermutet haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Frieser [CDU/CSU]: Hören wir noch was zum Thema?)

Sie haben sich im Bereich der Behindertenpolitik bisher nur dadurch hervorgetan, dass Sie im Zweifel gezeigt haben, dass Sie auf dem Rücken der behinderten Menschen in diesem Land Ihren üblen Rassismus austragen wollen. Ich finde, es ist an dieser Stelle wichtig, das zu betonen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Je später der Abend, desto blöder die Vorwürfe!)

Liebe Regierungskoalition, liebe Union und liebe SPD, bei Ihnen verwundert es mich nicht, dass Sie diese Debatte heute nicht führen wollten; denn der Gesetzentwurf, den Sie zur Umsetzung dieser Richtlinie vorgelegt haben, ist einfach Murks. Damit bleiben Sie hinter den Möglichkeiten der Marrakesch-Richtlinie und hinter dem, was wir von Ihnen erwartet haben, weit zurück.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn das Ziel der Richtlinie besteht doch ursprünglich darin, dass die Zugänglichkeit von Literatur – das ist mehrfach gesagt worden – für die Personengruppe der sehbehinderten, blinden oder anderweitig lesebeeinträchtigten Menschen verbessert wird. Dafür sorgen Sie aber schlicht und ergreifend nicht. Kronzeuge der These, die ich hier vortrage, ist – und das ist wirklich peinlich – der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Herr Jürgen Dusel, der Sie immer wieder aufgefordert hat, mutig zu sein und die Richtlinie vernünftig umzusetzen. Die Art, wie Sie das tun, führt im Zweifelsfall zu Verschlechterungen gegenüber der Situation, die wir heute haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Punkte sind benannt. Die bürokratischen Hürden, die Sie einbauen – die AfD hatte übrigens keinen Sachverständigen benannt und in der Sachverständigenanhörung auch nicht durch gute Fragen geglänzt; das will ich an dieser Stelle betonen –,

(Stephan Brandner [AfD]: Das habe ich aber anders gesehen! Unsere Fragen waren die besten!)

sind so hoch, dass die kleinen Bibliotheken befürchten, die Leistungen nicht zu erbringen.

(Stephan Brandner [AfD]: Von der CDU kam nichts! – Gegenruf des Abg. Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Das sehe ich aber anders!)

Zur Vergütungsverpflichtung. Wir reden Pi mal Daumen über 25 000 Euro im Jahr. Bei einem Gesamtvolumen von 300 Millionen Euro der VG WORT ist das absolut lächerlich.

(Stephan Brandner [AfD]: Lächerlich sind Sie!)

Drei Oppositionsfraktionen haben Vorschläge eingebracht, wie man zu einer vernünftigen Regelung hätte kommen können. Ich habe mich über den Vorschlag der FDP gefreut.

(Stephan Brandner [AfD]: FDP und Grüne! Klasse! So muss das laufen! Herr ­Müller-Böhm, das wäre mir peinlich! – Gegenruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mal ruhig sein und zuhören?)

Ich finde es aber schade – und es nervt mich auch –, dass wir selbst an einer solchen Stelle, wo das problemlos möglich wäre, keine menschenrechtskonforme Regelung finden. Der Gesetzentwurf ist einfach schlecht gemacht, und auch wenn es heute schon spät ist, sollten wir darüber reden.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)