Rede von Filiz Polat Masterplan Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine

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18.05.2022

Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Der Antrag von CDU und CSU war schon bei seiner ersten Lesung überholt. Daran hat sich bis heute nichts geändert – im Gegenteil: Anfang April beklagten Sie hier Stillstand und Planlosigkeit – Frau Breher, Sie haben das jetzt wieder getan – bei der Bewältigung der schrecklichsten Fluchtkrise in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges, und das, wohlgemerkt, wenige Stunden nachdem Bund und Länder – auch Ihre Länder – sich auf ein vorausschauendes und ein pragmatisches Paket zur Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine verständigt hatten.

Nicht auf der Höhe der Zeit sind also Sie, nicht etwa die Bundesregierung oder die Bundesländer und im Übrigen auch nicht die Kommunen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ihr angestaubter Antrag inklusive eines Dutzends Forderungen und Mängelliste war und ist schon längst in weiten Teilen abgearbeitet; das hat Frau Staatsministerin Alabali-Radovan gerade erläutert.

Dabei, verehrte Kolleginnen und Kollegen aus der Union, geht es nämlich auch anders. Geben Sie nicht nur vor, Sie hätten plötzlich ein Herz für Geflüchtete entdeckt, sondern handeln Sie auch so!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Nehmen Sie sich gerne ein Beispiel an Ihrem Kieler Parteifreund Daniel Günther, dem Gegenentwurf in der Flüchtlingspolitik zu Ihrem Fraktionschef Merz.

Eine fortschrittliche, an den Menschen ausgerichtete Flüchtlingspolitik ist das Leitprinzip dieser Koalition. Und daran, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, sollten auch Sie sich langsam orientieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen weniger Merz und Dobrindt. Wir brauchen weniger Demokratinnen und Demokraten, die mit ihrer Flüchtlingspolitik Ängste gegenüber Geflüchteten schüren und Einwanderer/-innen als Probleme definieren.

(Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie mal was zu „Einwanderer/-innen“!)

Überholen Sie mit Ihrer Flüchtlingspolitik die AfD nicht rechts. Damit tun Sie unserer Demokratie keinen Gefallen und sich selbst auch nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir können uns ganz gut um uns selber kümmern!)

Lassen Sie uns stattdessen gemeinsam Schritte gehen, die uns voranbringen. Nehmen wir einfach die Kernstücke des Bund-Länder-Gipfels vom 7. April – Frau Staatsministerin hat es erwähnt –: Geflüchtete aus der Ukraine werden in die Grundsicherung aufgenommen; das wurde letzte Woche verabschiedet. Damit sind die Menschen in der GKV und krankenversichert.

Ich möchte auch noch mal betonen: Ein Meilenstein in der Flüchtlingspolitik in Deutschland sind die 2 Milliarden Euro seitens des Bundes für Länder und Kommunen für die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine, Frau Breher; davon sind 1 Milliarde Euro für Unterkunft und Grundsicherung und 1 Milliarde Euro für alle weiteren Aufwendungen wie Kinderbetreuung, Beschulung etc. vorgesehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Den aktuellen dramatischen Herausforderungen begegnen wir gemeinsam, geschlossen, entschlossen. Wir machen, und Sie schreiben Masterpläne von gestern. Seien Sie also nicht immer dagegen! Machen Sie mit! Machen Sie mit bei unserer Integrationsoffensive!

(Stephan Brandner [AfD]: Man muss ja nicht jeden Unsinn mitmachen, oder?)

Machen Sie mit bei einer progressiven menschenrechtsorientierten Politik! Das ständige Schüren von Ängsten, das Sie betreiben, ihre Spalterei unserer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft ist einer christlichen Partei unwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Sie müssen noch „Hass und Hetze“ sagen, Frau Polat! – Gegenruf des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ruhig, Brauner!)

Wir laden Sie dazu ein, bei unserer zukunftsgerichteten und pragmatischen Politik in der Flüchtlingspolitik mitzumachen, die alle Geflüchteten im Blick hat.

(Martin Reichardt [AfD]: Sie haben alles im Blick, aber kriegen nichts auf die Reihe!)

Mit uns gibt es keine zwei Klassen von Geflüchteten. Wir werden das Flüchtlings- und Aufenthaltsrecht dahin gehend auch korrigieren. Wir werden die Kettenduldung abschaffen; das wurde schon gesagt. Wir schaffen Chancen für Menschen, die bereits Teil unserer Gesellschaft geworden sind, durch eine praxis- und lebensnahe Überarbeitung der Bleiberechte und – darauf sind wir sehr stolz – durch die Einführung des Chancenaufenthaltsrechts, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Viele Geflüchtete wollen arbeiten, dürfen es aber nicht.

(Stephan Brandner [AfD]: Manche dürfen, wollen aber nicht! Das gibt es auch!)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, schaffen Sie gemeinsam mit uns endlich die Arbeitsverbote im Aufenthaltsrecht ab; es wäre ein Novum. Das muss endlich abgeschafft werden. Warum stimmen Sie dagegen?

Sie betonen unablässig die Bedeutung der Familie; wir machen uns konkret stark für deren Schutz. Statt Familien für Jahre zu trennen und ihnen immer weiter Hürden in den Weg zu legen, wollen wir Familien endlich wieder zusammenbringen. Machen Sie ernst, und setzen Sie sich mit uns dafür ein, Geflüchtete beim Familiennachzug endlich gleichzustellen und den Ehegattennachzug zu beschleunigen,

(Stephan Brandner [AfD]: Was ist denn mit den Ehegattinnen?)

indem wir den Sprachnachweis vor der Einreise abschaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE] – Stephan Brandner [AfD]: Sie haben die Ehegattinnen vergessen, Frau Polat! Dürfen dann nur Männer kommen?)

Wir gehen beim Schutz von Frauen und Opfern von Menschenhandel weiter als Sie, Frau Breher, indem wir eigene und unabhängige Aufenthaltsrechte schaffen werden; das haben Sie in den 16 Jahren an der Regierung nie geschafft.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie haben immer die gleichen Antworten, und die taugen nichts!)

– Herr Frei, ich merke an Ihrer Reaktion, dass Sie da getroffen sind; es tut mir leid.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Uns liegt der Schutz von besonders vulnerablen Gruppen am Herzen. Verfolgung und Flucht können schwere psychische Folgen nach sich ziehen. Es ist diese Koalition, die dafür sorgt, dass Betroffene adäquate Hilfe bekommen und die psychosozialen Hilfen zum ersten Mal finanziell massiv aufgestockt werden. Dafür bin ich Ministerin Paus sehr, sehr dankbar.

Meine Damen und Herren, der Überfall auf die Ukraine hat unendlich viel Leid, Zerstörung und Traumatisierung gebracht. Wir wissen nicht, wie lange dieses Grauen noch andauern wird; aber wir werden alles tun, um den Verfolgten zu helfen, egal ob hier bei uns oder in der Ukraine.

Wir lehnen den Antrag ab, Frau Breher.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Polat. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Mariana Harder-Kühnel, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)