Rede von Dr. Sebastian Schäfer Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmitteln

Dr. Sebastian Schäfer
30.09.2022

Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manche Aspekte in unserem Steuersystem sind mit Logik ja nur schwer zu begreifen, und ich fürchte, das betrifft vor allem auch die Umsatzsteuer.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Leni Breymaier [SPD]: Ja, das stimmt!)

Eine systematische Herangehensweise bei den Ausnahmen und Regeln wurde in den letzten Wahlperioden leider nie erreicht. Stattdessen wird hier und da ein wenig herumgeschraubt, hier eine Ausnahme neu eingeführt, dort etwas klargestellt. Ich will gar nicht über lobbygetriebene Ausnahmen sprechen, und ich will auch gar nicht mit dem Finger auf irgendjemanden zeigen.

Wir brauchen eine echte Umsatzsteuerreform. Eine solche Reform muss systematische Ungleichbehandlungen abschaffen und soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen. Die Europäische Union hat uns da mit der Reform der Richtlinie zum Mehrwertsteuersystem vom April dieses Jahres deutlich mehr Spielraum gegeben; Kollege Tebroke hat es angesprochen. Insbesondere eine deutliche Vereinfachung der Regeln ist erstrebenswert. Eine Reform der Umsatzsteuer sollte in sich konsistent sein

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ja, macht’s!)

und das Leben der Bürger/-innen, der Unternehmer/-innen und auch der Verwaltung einfacher machen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ja, dann muss man es halt machen, wenn man es fordert!)

Als Finanz- und Haushaltspolitiker komme ich aber an einer Feststellung nicht vorbei: Gerade mit Blick auf die aktuelle Situation und auch vor dem Hintergrund der gewaltigen Summe des Abwehrschirms und der Neuverschuldung, die wir in diesem Jahr vornehmen müssen, muss eine solche Reform zumindest aufkommensneutral für den Fiskus sein. Die Umsatzsteuer ist für gezielte Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger nicht das richtige Instrument.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir machen das jetzt bei Gas und Fernwärme, weil die Preisentwicklung dort so extrem ist. Zum Teil kommt es dort zu einer Vervielfachung der Preise, was dazu führt, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst bei einem niedrigeren Umsatzsteuersatz am Ende mehr Umsatzsteuer zahlen als im vergangenen Jahr. Deshalb führen wir zusätzlich die Gaspreisbremse ein, die gezielt entlasten wird.

Diese Regierung hat bereits umfangreiche Entlastungspakete beschlossen, mit vielen zielgerichteten Maßnahmen wie zusätzlichen Zahlungen von 200 Euro für alle Menschen in der Grundsicherung, dem Kinderbonus von 100 Euro, den alle Familien über das Kindergeld bekommen, einem höheren Wohngeld und Heizkostenzuschüssen. Auch die 300 Euro Energiekostenpauschale wirken zielgerichtet, weil sie der Progression unterliegen. Wir werden zum 1. Januar 2023 das Bürgergeld einführen und eine Erhöhung in historischer Dimension umsetzen. Und – das will ich gerade am heutigen Tag auch ansprechen – ab morgen gilt ein deutlich erhöhter Mindestlohn; das hilft Millionen von Menschen in unserem Land direkt und unmittelbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir sollten dennoch dringend eine Umsatzsteuerreform angehen. Der Bundesrechnungshof fordert das seit zehn Jahren. Lassen Sie uns das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, gern gemeinsam machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Das Wort erhält Ina Latendorf für Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)