Rede von Renate Künast Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmitteln

Renate Künast MdB
30.09.2022

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Danke, dass Sie mich an meinen Zwischenruf von vorhin erinnern; aber darauf gehe ich gar nicht ein.

Als Erstes in meinen wenigen Minuten wende ich mich an meinen Vorredner. Ich bin ein bisschen verwirrt, Herr Brehm.

(Zuruf von der AfD: Ach, das kennt man! – Zuruf von der CDU/CSU: Fragen Sie ruhig!)

An manchen Stellen hatte ich das Gefühl: Was Sie sagen, passt nicht zu Herrn Tebroke. Dann kommen Sie mit der Ananas aus Südamerika – ich dachte, die kommt ganz woanders her –, und stattdessen kommt aus Südamerika steuerbegünstigtes Futtersoja für die Landwirtschaft mit intensiver Tierhaltung hier.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Jetzt sagen Sie mal, was Sie wollen! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Kommen Sie in die Bürgersprechstunde von Herrn Brehm! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ich erkläre es Ihnen!)

Das war, glaube ich, alles ein ganz bisschen verschoben, und ein bisschen war es auch – so nenne ich das mal – ein inneres Endlosband.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Damit kennen Sie sich aber aus, oder?)

Von der CDU/CSU kommt ja anscheinend im Augenblick immer ein inneres Endlosband. Wer immer nach vorne kommt, erklärt, was wir in den neun Monaten nicht schon alles hätten machen können usw.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Sie sagen nie, was Sie selber machen würden. Sie rechnen es nie selber durch. Ich verzeihe es Ihnen natürlich, dass Sie nie auf die letzten 16 Jahre blicken. Aber wer 16 Jahre am Stück regiert hat, hat jetzt das Fachwissen, der Kritik auch mal einen Vorschlag folgen zu lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Jetzt sage ich etwas, was Die Linke als Antragstellerin neidisch macht. Sie wissen ja, dass ich immer dafür kämpfe, bei Gemüse, Hülsenfrüchten usw. die Mehrwertsteuer runterzusetzen; da werde ich auch noch jahrelang dranbleiben. Aber ihr von Der Linken, guckt mal!

(Die Rednerin hält ein Papier hoch)

– Sieht das nicht cool aus? Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel runter! Man sieht ein Brot, einen Salat, eine Milch. An der Hintergrundfarbe sieht man: Die ist nicht rot; das kommt nicht von euch. – Das Bild passt zwar nicht zu der Rede der beiden CDU- bzw. CSU-Redner hier, ist aber vom 29. September von der EVP-Fraktion. Ja, was gilt denn jetzt eigentlich bei Ihnen von CDU und CSU? Bescheidene Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Also, Sie müssen sich das schon mal überlegen, und Sie dürfen in Ihren Vorschlägen auch gerne national und europäisch konsistent sein.

Ich will zu den Vorschlägen der Linken was sagen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wovon ich wirklich keine Anhängerin bin und wozu ich sage: „Das hat eine vollkommene Fehlorientierung“, ist unserer Mehrwertsteuersystem – mal unabhängig von der Frage, was aus welchen kuriosen Gründen jemals eingeführt wurde. Aber eines finde ich in der Debatte ganz wichtig. Ich finde, dass die Diskussion viel zu eng und auch nicht ganz richtig geführt wird. Das haben viele Vorrednerinnen und Vorredner ja angesprochen, als wir darüber gesprochen haben: Wie entlastet man zielgenau? Deshalb, glaube ich, ist das gar kein passendes Thema für unser akutes Problem der Preissteigerungen, der teurer werdenden Energie, der Lebensmittel usw.

Wenn wir über Mehrwertsteuerveränderungen reden, müssen wir doch bitte die Themen Klima, Biodiversität und Gesundheit einbeziehen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Was bedeutet das?)

Das sind für mich die Punkte. Wie kann es sein, dass das Ungesündere den gleichen Mehrwertsteuersatz hat wie das Gesunde? Wie kann es sein, dass Milch einen besseren Mehrwertsteuersatz hat als zum Beispiel Haferdrinks? Das ist die zentrale Frage.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Dann machen Sie es doch!)

In dem Kontext will ich eines sagen: Wir sehen doch, wie viel Adipositas und Fettleibigkeit wir bei den Kindern haben. Das geht auch nicht an den Älteren und auch nicht an allen Bundestagsabgeordneten vorbei.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Sie meint ihre eigene Fraktion damit!)

Wir müssen doch sehen: Dass Fleisch bei der Mehrwertsteuer mit Gemüse gleichgesetzt ist, ist ökologisch falsch und auch gesundheitlich falsch. Deshalb sage ich Ihnen an dieser Stelle: Ja, wir wollen eine Reform. Sie ist in der Vergangenheit immer an der Union gescheitert, sage ich mal.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was?)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Jetzt bitte der letzte Satz.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Was wir jetzt brauchen, ist eine Definition, nach welchen Kriterien wir die Mehrwertsteuer verändern wollen – weit über den Grundnahrungsmittelbereich hinaus – und was eigentlich Grundnahrungsmittel sind.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sie stellen nur Fragen!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Danke schön.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Dass Sie nun mit der Tüte Zucker kommen und sagen, das sei ein Grundnahrungsmittel, passt weder zu Klima noch zu Gesundheit noch zu Biodiversität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wo sind denn jetzt Ihre Antworten? Dafür hat es nicht mehr gereicht! – Gegenruf des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Oder sie hat keine Antworten!)