Hanna Steinmüller
16.11.2023

Hanna Steinmüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die abwesenden Besucherinnen und Besucher schauen sich das bestimmt live bei Phoenix interessiert an.

(Zuruf der Abg. Leni Breymaier [SPD])

Wir sprechen heute über den Mietwucherparagrafen. „Dreist kommt weiter“ – das mag vielleicht das Motto von manchen in der Schlange in der Bundestagskantine sein. Aus meiner Sicht ist es aber kein Prinzip, mit dem man einen Wohnungsmarkt organisieren sollte. Deswegen ist es wichtig, dass wir Sanktionsmöglichkeiten für Vergehen haben.

Wie ist momentan die Sachlage? Das wurde gerade schon von verschiedenen Seiten skizziert: Es gibt zunächst einmal die Mietpreisbremse, die besagt: Bei einer Neuvermietung darf ich maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete vermieten. Wenn es zu einem Verstoß kommt, bedeutet das erst mal einen relativ aufwendigen Prozess für die Mieterinnen und Mieter; dann muss der Vermieter die zu viel genommene Miete zurückzahlen. Es gibt aber keinerlei Sanktionierung.

Deswegen gibt es zusätzlich das scharfe Schwert des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz. Da geht es darum – auch das wurde jetzt umfangreich erklärt –, dass bei einer Miete, die mehr als 20 Prozent höher ist als ortsüblich, und bei Ausnutzung des knappen Angebots eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, die mit bis zu 50 000 Euro Strafe belegt werden kann. Diese Regelung hat relativ gut funktioniert in Deutschland; das muss man einfach sagen. Da gab es auch wenig Unzufriedenheit. Es gab richtungsweisende Urteile, die diese Regelung noch mal gestärkt haben, zum Beispiel in Hamburg – bis es 2005 das BGH-Urteil gab. Deswegen diskutieren wir das Ganze heute. Denn wenn ich jetzt als Vermieter gesetzeswidrig überhöhte Mieten nehme, dann droht mir mittlerweile maximal nur noch, dass ich diese einfach zurückzahlen muss. Das heißt, es gibt keinerlei große Sanktionierung dieses „Dreist kommt weiter“, und das ist ein Problem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Johannes Schraps [SPD])

Es ist erstens ein Problem, weil es dadurch zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt, weil all diejenigen, die sich an die Regeln halten – und das ist die übergroße Mehrheit; da stimmen wir vollkommen überein –, voll den finanziellen Nachteil haben, während diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten und denen wenig Sanktionierung droht, einen Vorteil haben. Deswegen brauchen wir diesen Mietwucherparagrafen als Drohkulisse. Ich hatte gestern Abend eine Veranstaltung mit einer Richterin eines Amtsgerichts hier in Berlin, die mir erklärt hat, wie schwierig es für die Mieterinnen und Mieter in der Praxis ist, das Tatbestandsmerkmal der Ausnutzung gerichtsfest zu beweisen. Deswegen brauchen wir da eine Schärfung.

Es geht aber nicht nur um Wettbewerbsverzerrung, sondern es geht, zweitens, auch darum, dass der gute Ruf der vielen Vermietenden, die sich an die Regeln halten, beschädigt wird, wenn immer so geraunt wird: Die halten sich nicht daran. – Deswegen ist es total sinnvoll, dass das gemacht wird.

Ich möchte noch sagen: Lieber Jan-Marco Luczak, es waren ja die Kollegen aus Bayern, die diese Bundesratsinitiative eingebracht haben.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Ganz genau, ja! Richtig! – Dr. Johannes Fechner [SPD], an den Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU] gewandt: Ja! Sehr klug, Herr Mayer!)

Ich weiß nicht, wie viel Sie in der Union miteinander sprechen, aber vorhin gab es ja schon wieder so ein Gefühl von: Uh, das könnte böser Sozialismus sein; das ist ja ein Gesetzentwurf von den Linken. – Aber nein, die Bundesratsinitiative kommt aus Bayern.

(Beifall der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Von daher glaube ich, so schlimm kann das Ganze nicht sein. All Ihre juristischen Bedenken hatten die Kollegen in Bayern nicht, und damals war die Union auch noch relativ stark beteiligt an der Koalition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher glaube ich, wir sollten weiter darüber sprechen, auch wenn der vorliegende Gesetzentwurf angesichts der aktuellen Situation das weitere Verfahren vermutlich nicht durchlaufen wird.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Der kommt aber wieder! Was gut ist, kommt wieder!)

Das Anliegen ist total berechtigt; denn ich glaube, „Dreist kommt weiter“ sollte kein Prinzip sein, mit dem wir Wohnungsmärkte organisieren. Wir wollen Wettbewerbsverzerrung verhindern und die rechtschaffenen Vermieter ausdrücklich loben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Steinmüller. – Nächster Redner ist der Kollege Roger Beckamp, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)