Rede von Christian Kühn Mietenanstieg stoppen

29.11.2018

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich war letzte Woche mit meiner Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-­Eckardt und dem sozialpolitischen Sprecher Wolfgang Strengmann-­Kuhn hier in Berlin-Kreuzberg in einer Notunterkunft für Familien, die wohnungslos geworden sind. Ein Teil der Familien, die dort klingeln und nach einer Wohnung fragen, sind zwangsgeräumt worden. Diese Familien sind zwangsgeräumt worden, weil sie, obwohl sie das Geld nachzahlen wollten, nicht in der Lage waren, eine außerordentliche Kündigung zu heilen. Das müssen wir dringend ändern. Hier bedarf es einer Korrektur am Kündigungsschutz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn die sozialpolitischen Folgen dieser Räumung, den Verlust der Wohnung, das Trauma der Kinder, dürfen wir nicht zulassen. Wenn wir nicht wollen, dass Kinder in Deutschland zwangsgeräumt werden, müssen wir beim Kündigungsschutz anfangen. – Herr Luczak, ich sehe schon, wie Sie den Kopf schütteln. Sie tragen das C in Ihrem Parteinamen, nicht wir Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Zu Recht tragen wir das auch!)

Wir haben eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf durchgeführt. Die Experten haben gesagt, dass wir den Kündigungsschutz voranbringen müssen. Wir haben das beantragt. Die SPD hat ja versucht, das durchzusetzen; aber Sie haben es blockiert, Herr Luczak. Das müssen Sie sich einfach anhören. Beim Kündigungsschutz zeigen Sie den Menschen die kalte Schulter. Das geht einfach nicht. Das ist einfach unsozial, es ist nicht christlich, und es führt in Städten wie Berlin und Frankfurt und Stuttgart und anderswo zu sozialen Härten. Das ist nicht länger hinzunehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Seien Sie froh, dass ich keine Zwischenfrage stellen darf!)

Dieser Gesetzentwurf ist kein großer Wurf; das muss man sagen. Ich finde die Begrenzung der Modernisierungsumlage auf 2 Euro, die die SPD verhandelt hat, richtig.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Klaus Mindrup [SPD]: Danke!)

Aber warum gelten diese 2 Euro nicht flächendeckend, überall? Das erschließt sich mir nicht. Das verstehe ich nicht. Dass man eine willkürliche Grenze bei einer Miete von 7 Euro pro Quadratmeter einzieht, bei der der Wert von 2 Euro noch gilt, aber bei 7 Euro und 1 Cent dann 3 Euro gelten, macht keinen Sinn, hat nichts Systematisches, ist einfach ein fauler Deal der Großen Koalition. 2 Euro flächendeckend, das wäre richtig gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass die CDU diese Ungleichbehandlung deswegen in dieses Gesetz gebracht hat, weil sie dieses Gesetz eigentlich auf lange Strecke hin kaputtmachen will.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das sind aber Verschwörungstheorien, Herr Kühn!)

Denn genau diese Ungleichbehandlung haben wir ja auch bei der Mietpreisbremse erlebt. Deswegen wird es auch zu Klagen vor den Gerichten kommen. Ich sage Ihnen: Mit diesem Gesetz und dieser willkürlichen Grenze von 7 Euro schaffen Sie am Ende mehr Unsicherheit bei der Modernisierungsumlage. Ich glaube, darum wird am Ende dieses Gesetz wieder abgeschafft werden. Hier wären klare und einheitliche Regeln viel besser gewesen und hätten zu einer viel größeren Rechtssicherheit geführt. Ich finde es traurig, dass die Juristen der CDU so etwas durchwinken und sozusagen so konstruieren, dass es am Ende eben nicht funktioniert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber das Schlimmste an diesem Gesetz ist ja eigentlich, dass diese Mietrechtsnovelle dazu führt, dass wir die Mietpreisbremse durch die Hintertür wieder abschaffen. Die Mietpreisbremse wird in eineinhalb Jahren in den ersten Städten auslaufen, zum Beispiel hier in Berlin. Dann wird in der Stadt Berlin bei Neuvertragsmieten die Mietpreisbremse nicht mehr gelten. Dann kann man wieder eine Miete über der ortsüblichen Vergleichsmiete plus X nehmen. Dann wird das in den Mietspiegel einfließen. Und dann werden alle Mieten ordentlich nach oben gehen. Die Mietenexplosion, die dann kommen wird, ist die Mietenexplosion dieser Großen Koalition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir finden es sehr gut, dass die SPD das Thema der sozialen Träger in diese Gesetzesnovelle hineinverhandelt hat

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Nicht nur die SPD!)

und dass nun Wohngruppen für Menschen mit Handicap nicht mehr verdrängt werden können. Dass sie geschützt werden wie andere Menschen, die eine Wohnung haben, ist richtig. Aber dass die Kita weiter heraussaniert werden kann, dass andere soziale Einrichtungen nicht diesen Schutz genießen, ist ein sozialpolitischer Skandal. Deswegen brauchen wir dringend ein Gewerbemietrecht, das eben nicht auf dem sozialen Auge blind ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Denken Sie bitte an die Redezeit.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Zum Abschluss.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ja, aber schnell.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Zum Abschluss: Die SPD will den Mietenstopp. Wir beantragen hier eine Absenkung der Kappungsgrenze. Jetzt können Sie zeigen, ob Sie nicht nur Wahlkampfpapiere schreiben, sondern hier heute auch Farbe bekennen können.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)