Rede von Christian Kühn Mietenanstieg stoppen, MieterInnen schützen

19.10.2018

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Kollege Föst, Ihre Rede hat gezeigt: Die FDP will beim Mietrecht nichts machen. Damit sagen Sie den Menschen, die heute in einer Mietwohnung in den großen Ballungsräumen leben, dass Ihnen die Mietenanstiege dort herzlich egal sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der FDP)

Das ist eine Position, die man einnehmen kann; aber ich rate davon ab. Wenn ich mir den Gesetzentwurf der Großen Koalition anschaue, dann muss ich am Ende sagen: Das ist ein Minimalkompromiss, den Sie in der Koalition gefunden haben. Sie streiten sich hier sozusagen auf offener Bühne darüber,

(Ulli Nissen [SPD]: Wir streiten uns wenigstens!)

wie es weitergehen soll; aber den Menschen da draußen in den Städten wird das nicht helfen. Dieser Gesetzentwurf ist nichts anderes als Augenwischerei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! – Karsten Möring [CDU/CSU]: Völlig falsche Einschätzung!)

Es gibt ein paar kleine Fortschritte – das ist gar keine Frage –, und die SPD hat auch gekämpft. Aber angesichts dessen, dass Sie der Union das Geschenk Baukindergeld in Höhe von 12 Milliarden Euro gemacht haben, haben Sie als SPD beim Mietrecht zu wenig bekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE] – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das kommt den Familien zugute!)

Ich sage Ihnen auch, warum das zu wenig ist. Es ist deswegen zu wenig, weil die Mietpreisbremse in zwei Jahren in ganz Deutschland auslaufen wird, und dann sind wir wieder bei null bei der Frage des Mietenanstiegs im Bestand. Ganz ehrlich, Frau Barley, sich hierhinzustellen, eine Reform zu verkünden und zu sagen: „Jetzt helfen wir den Menschen da draußen“, aber in zwei Jahren ist dieses Ding abgelaufen, ist wirklich erbärmlich.

(Ulli Nissen [SPD]: In Hessen läuft sie schon nächstes Jahr aus!)

Deswegen ist dieser Gesetzentwurf nichts wert und Augenwischerei. Und wenn wir die Entfristung der Mietpreisbremse in den Beratungen nicht hinbekommen, dann machen wir uns als Deutscher Bundestag und als Wohnungspolitiker wirklich lächerlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Ulli Nissen, ganz kurz – weil du wahlkampftechnisch immer wieder reinrufst und gerade Hessen ansprichst –: Diese Entfristung der Mietpreisbremse kann nicht Priska Hinz in Hessen machen. Das müsst ihr hier in Berlin machen, das muss Frau Barley machen, dafür müsst ihr als Bundestagsfraktion der SPD kämpfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu dieser wunderbaren Kappung bei der Modernisierungsumlage auf 3 Euro pro Quadratmeter: Ich werde von Mieterinnen und Mietern, die von Herausmodernisierung oder Modernisierung der Mietbestände betroffen sind, immer wieder eingeladen. Ich war vor einiger Zeit bei einer älteren Dame, 80 Jahre, in ihrer 50‑Quadratmeter-Wohnung. Diese Frau kann sich mit ihrer Rente die Mietsteigerung um 150 Euro einfach nicht leisten. Dieses soziale Problem – jemand wohnt 30 Jahre in einer Wohnung, muss am Ende ausziehen und kann vielleicht höchstens die Erstattung der Umzugskosten einklagen – auszublenden, ist doch absurd. Es geht darum, dass diese Frau ihre Wohnung behalten kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Kühn, die Kollegin Nissen würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr gern.

Ulli Nissen (SPD):

Lieber Chris Kühn, in Hessen regiert – noch! – die CDU mit den Grünen. In Hessen läuft die Mietpreisbremse schon im Sommer nächsten Jahres aus. Sie wurde von vornherein für vier Jahre gemacht, und dann ist sie auch noch falsch gemacht worden. Das ist sehr seltsam. Warum? In Hessen gibt es eine Kündigungssperrfrist von fünf anstatt zehn Jahren bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gibt es die Möglichkeit, einen Genehmigungsvorbehalt zu machen. Das ist in Hessen nicht gemacht worden. Das finde ich schon höchst seltsam. Es ist leicht, uns hier zu kritisieren, dass wir nicht alles umsetzen; aber selber, auf Landesebene, wo ihr in der Regierungsverantwortung seid, so vehement wichtige Dinge wie gerade diesen Genehmigungsvorbehalt nicht zu machen, finde ich schon sehr seltsam. Ich mache am Sonntag in Frankfurt meinen „Rundgang des Grauens – Den Miethaien auf der Spur“.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Da sehen wir viele Häuser, die genau davon betroffen sind. Die Anwohner haben gesagt: Warum haben die Grünen das in Hessen nicht gemacht? Warum habt ihr es nicht gemacht?

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin, die Wahl in Hessen ist am Sonntag in acht Tagen.

(Ulli Nissen [SPD]: Die Menschen leiden heute!)

Herr Kollege Kühn, Sie dürfen antworten.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke, Herr Präsident, für diesen Hinweis. Deswegen will ich nur eine Sache sagen: Die Mietpreisbremse wird natürlich in Hessen innerhalb des gesetzlichen Rahmens verlängert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die Mietpreisbremse in zwei Jahren ausläuft, ist keine Entscheidung des Landes Hessen, sondern es ist eine Entscheidung der Bundesregierung.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Übrigens hätte die Große Koalition in der letzten Wahlperiode eine Mietpreisbremse einführen können, die bundesweit gilt. Das hat sie nicht gemacht; vielmehr hat sie den Schwarzen Peter den Ländern zugeschoben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung hätte in der letzten Wahlperiode auch entscheiden können, dass es keine Ausnahmetatbestände bei der Mietpreisbremse gibt. Das hat sie nicht gemacht. Und wer hat da mitregiert? Die SPD.

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Deswegen sage ich ganz klar: Wer auf Bundesebene solche Probleme beim Mietrecht hat, sollte nicht in jeder Debatte mit dem Finger auf andere zeigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir reden hier über Bundesrecht und nicht über Frankfurt und nicht über Hessen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Ihre Redezeit war bei Zulassung der Zwischenfrage schon am Ende angelangt.

(Zuruf von der SPD: Das ist auch gut so!)

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege Kühn.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke, Herr Präsident. – Zum Schluss sage ich: Was wir wirklich bräuchten, wäre eine Stärkung des Kündigungsschutzes – davon ist hier nichts zu sehen –, eine Reform des Wirtschaftsstrafgesetzes, damit Mietwucher wirklich begrenzt wird, eine realistische Betriebskostenabrechnung sowie endlich ein Gewerbemietrecht, sodass Kitas nicht mehr aus dem Kiez verdrängt werden.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)