Rede von Luise Amtsberg Migration

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16.01.2020

Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wenn es denen tatsächlich ums Geld ginge! Als wenn die Intention dieses Antrages tatsächlich von der Sorge um die richtige Verwendung von Steuergeldern getragen würde! Natürlich nicht. Nein, Ihnen von der AfD geht es nicht ums Geld, Ihr Antrag hat eine politische Intention.

(Martin Reichardt [AfD]: Das haben Anträge immer! Haben Ihre Anträge keine politische Intention?)

Sie wollen – dafür hätten Sie keine acht Seiten gebraucht – doch eigentlich nur sagen: Wir wollen keine Zuwanderung, wir wollen keine Flüchtlinge aufnehmen in diesem Land. – Das Kostenargument ist vorgeschoben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

In dem Antrag nennt die AfD zum Teil ja selbst die Zahlen, nach denen sie fragt. Sie zitieren selbst die Quellen, in denen steht, was der Bund zahlt. Auch die Landeshaushalte weisen die unmittelbaren Kosten aus.

(Martin Hebner [AfD]: Ja, aber nicht vollständig!)

Sie brauchen eigentlich nur nachzulesen. Das würde aber – das muss man erwähnen – natürlich nicht zu Ihrer Erzählung passen: „Der Staat vertuscht hier doch irgendwas!“, „Die Bundesregierung will doch gar nicht, dass der Bürger die echten Zahlen kennt!“ Im Übrigen – wir kennen diese Methode, sie ist nicht neu –: Das hat Alice Weidel schon 2018 in Bezug auf den EU-Haushalt versucht; aber das nur am Rande.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, worum es in dem Antrag eigentlich geht, sind die von der AfD so getauften indirekten Kosten der Migrationspolitik. Die neue Erzählung der AfD: die indirekten Kosten.

(Martin Hebner [AfD]: Es geht um die Gesamtkosten!)

Darunter sollen zum Beispiel auch die Kosten für die Abfallwirtschaft fallen. Im Ernst jetzt? Wollen Sie künftig dann auch, dass die Kosten für die Sanierung öffentlicher Gebäude, in die auch Geflüchtete gehen, anteilig angerechnet werden, oder die für die Sanierung von Gehwegen, weil auch diese von geflüchteten Menschen benutzt werden? Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Martin Reichardt [AfD]: Eine billigere Polemik habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört!)

– Ich werde noch konkret, da machen Sie sich mal keine Sorgen. – Als indirekte Kosten führt die AfD übrigens auch Projekte an, die die Akzeptanz der Migration erhöhen sollen.

Da wir über Kosten, über Finanzen reden, fällt mir hier eine ganz konkrete Einsparmöglichkeit ein, nämlich wenn Sie aufhören würden, den ganzen Tag Stimmung gegen geflüchtete Menschen zu machen. Kosten für Demokratieprojekte sind nämlich Kosten, die Sie mit Ihrer Politik doch nur in die Höhe treiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und was ist eigentlich mit den Kosten, die durch Forderungen in Ihrem Antrag entstehen, für die Hunderten von Stellen und Tausenden Arbeitsstunden zur Erhebung von Daten, die zum Teil gar nicht messbar sind? Wissen Sie, keiner hält Sie davon ab, inhaltlich zu kritisieren, wenn Sie finden, dass in der Asylpolitik Geld falsch ausgegeben wird oder falsche Prioritäten gesetzt werden. Wir machen das auch, zum Beispiel in Bezug auf AnkER-Zentren, darauf, dass es zu wenig Sprachkurse gibt, dass Chancen verspielt werden – Arbeitsverbote, fehlender Spurwechsel –, oder wenn Kosten entstehen, die nicht notwendig sind, zum Beispiel bei den Verwaltungsgerichten aufgrund schlechter BAMF-Bescheide. Meine Liste ist lang!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber die Mühe machen Sie sich gar nicht; denn Sie kritisieren – und das ist das Wichtige – einen politischen Grundsatz. Die Aufnahme von Geflüchteten lehnen Sie kategorisch ab. Die historische Verantwortung dieses Landes hin oder her: Sie lehnen das ab. Und mit diesem Antrag versuchen Sie, anhand von Kosten zu argumentieren, um das zu verwässern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es aber eigentlich gar nicht so schlecht, dass wir mal über Kosten reden; denn das gibt mir die Möglichkeit, zu Ihrer Politik zwei Dinge zu sagen. Erstens. Keine Flüchtlings- und Integrationspolitik ist teurer als die der AfD. Zweitens. Es ist offensichtlich, dass Sie auf bestimmte Probleme in dieser Gesellschaft überhaupt keine Antworten haben. Rechnen Sie den Menschen doch mal vor, was passiert, wenn Ihre Forderung nach geschlossenen deutschen Grenzen Wirklichkeit wird, wenn wir nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes sind, was das für unser Land wirtschaftlich bedeutet.

(Martin Hebner [AfD]: Das ist doch Unsinn! – Martin Reichardt [AfD]: Das ist doch alles Quatsch!)

Wenn es nach Ihnen ginge, wären diese sogenannten indirekten Kosten noch viel, viel höher. Sie sind es doch, die Geflüchteten jede gesellschaftliche Beteiligung und Integration versagen, diesen Menschen und unserem Land die Chancen versagen, die damit einhergehen, denen Restriktionen wie Arbeitsverbote nicht weit genug gehen, denen die Aufwendungen für Sprachkurse zu hoch sind. Sie sind es, die geflüchteten Menschen absprechen, überhaupt echte Gründe zu haben, hier zu sein; das wird in Ihrem Antrag doch total klar.

Die größte Unverschämtheit aber ist, dass sämtliche Antworten auf drängende Fragen ausbleiben. Sie meckern, und Sie reden dieses Land schlecht; das tun Sie den ganzen Tag. Ich weiß, dass Sie von der AfD meine Generation und jünger nicht wirklich interessiert; das habe ich schon gelernt.

(Martin Reichardt [AfD]: Welche Generation sind Sie denn?)

Deshalb helfe ich Ihnen jetzt gern mal auf die Sprünge: Die direkten Auswirkungen Ihrer isolationistischen Politik würden doch vor allem die Jüngeren in diesem Lande zu spüren bekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])

Deshalb: Haben Sie verdammt noch mal den Hintern in der Hose, dann auch auszubuchstabieren, was Ihre Antworten sind und bedeuten. Sie lehnen Zuwanderung ab. Was ist denn Ihre Antwort auf den demografischen Wandel, auf die fortschreitende Überalterung unserer Gesellschaft, auf den Mangel an Fach- und Hilfskräften? Sorry, aber das ist genau das, was die jüngeren Menschen in diesem Land interessiert; denn für sie ist es existenziell.

(Martin Reichardt [AfD]: Der demografische Wandel ist durch Zuwanderung nicht zu begrenzen! Das sagen alle renommierten Wissenschaftler!)

Sie zielen in Ihrem gesamten Antrag – das finde ich auch interessant – sehr auf Ballungsräume ab; er ist komplett fokussiert auf die wachsenden Städte. Sie vergessen den ländlichen Raum komplett. Es gibt Gegenden in Deutschland, denen es nicht gut geht. Da gibt es nicht nur keine Flüchtlinge, sondern da ziehen auch alle anderen, gerade die Jungen und insbesondere junge Frauen, weg. Geschäfte schließen, die soziale Infrastruktur geht verloren, und zurück bleibt große Frustration. Ich verstehe das. Zuwanderung ist in diesen Gebieten keine Frage des Wollens, sondern sie ist eine Notwendigkeit und eine Chance. Gute Politik, die alle mitdenkt, würde das erkennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Mal abseits davon – und damit ende ich dann auch –: Ihr Antrag trieft ja nur so von Verwertungslogik. Ich finde, es ist, ehrlich gesagt, nicht mit Geld aufzuwiegen, Menschen vor dem Tod im Krieg zu retten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Aber das nur als abschließender Impuls; vielleicht kommt er ja an.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Amtsberg. – Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Alexander Throm.

(Beifall bei der CDU/CSU)