Rede von Katharina Dröge Multilateraler Gerichtshof

14.12.2018

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In wenigen Tagen ist Weihnachten. Wenn am Heiligen Abend die Geschenke für die Kinder unter dem Weihnachtsbaum liegen, dann werden sich manche Eltern vielleicht fragen: Wo kommt das alles her?

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Vom Weihnachtsmann!)

– Ja, bei uns kommt vielleicht auch der Weihnachtsmann. Aber die Frage ist doch: Wo hat der Weihnachtsmann eingekauft?

Die meisten Spielzeughersteller, auch die deutschen, produzieren in China. Der „Spiegel“ hat in seiner aktuellen Ausgabe von katastrophalen Arbeitsbedingungen in den chinesischen Spielzeugfabriken berichtet: arbeiten bis zur Erschöpfung, sieben Tage die Woche, Hunderte unbezahlte Überstunden, Bedingungen, die krankmachen. Ich sage Ihnen: Solche Bedingungen kennen wir schon aus anderen Branchen, wie der Textilindustrie beispielsweise. Solche Bedingungen sind Ausdruck globalisierter Verantwortungslosigkeit, die wir nicht mehr hinnehmen dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Aufgabe, hierauf endlich eine wirksame Antwort zu geben, eine Antwort, die solchen Geschäftspraktiken etwas entgegenstellt. Genau darum geht es in unserem Antrag. Wenn wir uns anschauen, wie die Staatengemeinschaft in den letzten Jahrzehnten das internationale Investitionsschutzrecht geregelt hat, dann erleben wir dort eine massive Schieflage. Wir erleben Investitionsschutzverträge, die ausschließlich Rechte für internationale Konzerne garantiert haben, jedoch keine Pflichten auferlegt haben. Wir erleben Verträge, die einseitig Klagerechte für Konzerne definiert haben, jedoch keine Klagerechte, nicht einmal Gegenklagemöglichkeiten, für die beklagten Staaten und auch keine Klagerechte für die Menschen, die in diesen Fabriken arbeiten. Genau das wollen wir mit unserem Antrag ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir machen Ihnen einen konkreten Vorschlag für einen multilateralen Gerichtshof, einen Gerichtshof, der sich nicht allein auf Investitionsschutz konzentriert, sondern gleichwertig den Schutz von Menschenrechten und Umweltschutz garantiert. Wir wollen einen Gerichtshof, der auch über völkerrechtliche Abkommen, die ILO-Kern­arbeitsnormen, den Pariser Klimavertrag oder die Stärkung von solch einfachen Dingen wie Gebäudesicherheit oder Brandschutz mitentscheiden kann. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Es ist Ihre Aufgabe, uns zu erklären, warum Sie immer wieder Verträge verteidigen, die den Schutz von Enteignung einseitig garantieren, aber die Durchsetzung von Mindestmenschenrechtsstandards völlig außer Acht lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir machen Ihnen einen Vorschlag für einen Gerichtshof, der auch Klagerechte definiert, Klagerechte für die Vertreter der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Spielzeugfabriken Chinas, auch Klagerechte für die Vertreter und Vertreterinnen der Angehörigen, die momentan in einem aufsehenerregenden Prozess – extrem schwierig – in Dortmund gegen KiK klagen, weil in Bangladesch 2012 eine Fabrik abgebrannt ist. Dort sind über 250 Menschen zu Tode gekommen, unter anderem deshalb, weil Mindestbrandschutzbestimmungen nicht eingehalten wurden und die brennende Fabrik zum Gefängnis für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurde.

Mit unserem Antrag wollen wir auch eine zweite Absurdität im Investitionsschutzrecht adressieren. Deutschland wird momentan von Vattenfall wegen des Atomausstiegs vor einem Schiedsgericht verklagt, und das, obwohl es bereits ein gültiges Rechtsurteil des Bundesverfassungsgerichts in genau derselben Sache gibt. Sie können mir nicht erklären, warum es sinnvoll ist, doppelte Klagestrukturen zu etablieren und diese Parallelstruktur des Rechtes fortzusetzen, die es Konzernen ermöglicht, allein aus Renditeinteressen – weil sie denken, dass sie noch höhere Milliardenbeträge als Entschädigungszahlungen vor einem internationalen Gericht kassieren können – zu klagen. Genau das adressieren wir mit unserem Antrag. Wir machen einen vernünftigen Vorschlag, der besagt: Der Weg zum Gerichtshof ist nur noch dann möglich, wenn die Konzerne nachweisen können, dass sie in einem nationalen Verfahren unfair behandelt wurden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE])

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie wirklich ganz herzlich bitten, gemeinsam mit uns für diese Vorschläge zu streiten. Sie würden damit einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass wir künftig am Weihnachtsabend leuchtende Kinderaugen nicht mit dem Elend der Menschen in anderen Regionen dieser Welt finanzieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)