Johannes Wagner MdB
12.10.2023

Johannes Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Lassen Sie mich zu Beginn kurz etwas zu der Union sagen. Sie haben in der Debatte mehrfach die Worte „Technologieoffenheit“ und „Atomkraft“ benutzt. Ich möchte Ihnen was sagen: Wer bei Atom immer nur über CO2 spricht und nicht über Abbau, Endlagerung und die Risiken des Betriebs, hat wohl in Physik nicht aufgepasst und diese Technologie nicht verstanden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Wir nehmen im Gegensatz zu euch Klimaschutz ernst!)

Und wenn Sie jetzt vielleicht auf den Fusionsreaktor abzielen, sage ich: Den gibt es noch nicht. Ich bin ja durchaus ein sehr hoffnungsvoller Mensch. Aber bei der Bekämpfung der Klimakrise die Hände in den Schoss zu legen und auf zukünftige Technologien zu warten, halte ich nicht nur für naiv, sondern auch für verantwortungslos den jungen Generationen gegenüber.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Aber Braunkohle verstromen! Super! Kohle verstromen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauende, es ist eine lange Debatte, und nach fast drei Stunden lässt sich sagen: An großen Worten mangelt es uns hier in diesem Haus nicht. Aber wie kommt es, dass wir es trotzdem nicht schaffen, die eigenen Klimaziele einzuhalten? Der UN-Gipfel dazu hat uns vor Kurzem attestiert: Wir machen sogar Rückschritte.

Momentan haben wir sechs von neun sogenannten planetaren Grenzen überschritten. Diese Grenzen zeigen an, wie viele Emissionen, wie viel Ressourcenverbrauch wir unserem Planeten zumuten können, ohne dauerhaft unsere Lebensräume zu zerstören. Würden alle Menschen so leben, wie wir es gerade in Deutschland tun, bräuchten wir eigentlich drei Erden. Wir haben aber keine drei Erden; wir haben nur eine Erde, und die hat natürliche Grenzen, über die wir nicht hinauswachsen können.

Unsere Wirtschaft braucht aber Wachstum, um zu funktionieren. Deswegen müssen wir auch über Wachstum sprechen. Politische Debatten darüber führen aber oft zu großen Antikampagnen und politischem Misserfolg. Das muss sich ändern. Wir müssen darüber sprechen, wie wir im Einklang mit den planetaren Grenzen und trotzdem auch in Wohlstand leben können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn Nachhaltigkeit darf kein Luxusgut sein, das sich nur die Reichen leisten können.

Lassen Sie mich das veranschaulichen: Ich werbe nicht dafür, Autos zu verbieten. Ich werbe dafür, dass wir Mobilität für alle ermöglichen: durch Carsharing, einen guten ÖPNV und sichere Radwege.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich werbe auch nicht dafür, dass wir unsere Wäsche wieder mit der Hand waschen. Ich werbe dafür, dass wir keine 500 000 Tonnen Klamotten jedes Jahr in den Müll werfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und ich werbe auch nicht dafür, dass wir Fleisch verbieten. Ich werbe dafür, keine 11 Millionen Tonnen gute Lebensmittel jedes Jahr in den Müll zu kippen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend eine große gesellschaftliche Debatte darüber, ob es nicht genug ist, beispielsweise ein Auto zu mieten, eine Bohrmaschine auszuleihen oder eine Waschmaschine teilen zu können. Das sind nur einige einfache Beispiele, die aber zeigen sollen, dass ein Leben – ein gutes Leben – auch innerhalb der planetaren Grenzen möglich ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich bedeutet das für viele erst mal eine Veränderung. Aber ganz ehrlich: Waldbrände und Überflutungen sind auch eine Veränderung, und zwar eine katastrophale; denken wir nur ans Ahrtal.

Die planetaren Grenzen konfrontieren uns mit der Frage: Was ist genug? Ich habe mir vorgenommen, diese Frage häufiger zu stellen, mir und auch den Menschen, denen ich begegne. Die Antworten können uns vielleicht überraschen. Was ist genug, meine Damen und Herren?

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Und die nächste Rednerin ist Catarina dos Santos-Wintz für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)