Rede von Dr. Anton Hofreiter Nachhaltigkeit und Klimaschutz

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10.06.2021

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klimaneutralität ist das wichtigste Zukunftsprojekt unserer Zeit. Sie ist im wörtlichen Sinne überlebenswichtig. Sie ist zentral für alle Lebensbereiche: für unseren Wohlstand, für zukunftsfähige Arbeitsplätze, für die Freiheit zukünftiger Generationen und für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben uns ja ein neues Klimaschutzgesetz vorgelegt. Ja, dieses Gesetz könnte und sollte in den Zielen noch ambitionierter sein. Und: Ja, dieses Gesetz ist wieder mal nicht das Ergebnis gestaltender Politik, sondern wurde vom Bundesverfassungsgericht erzwungen. – Was ich Ihnen aber wirklich vorwerfe, ist, dass Sie einmal mehr höhere Ziele beschließen, ohne die dafür notwendigen Maßnahmen ausreichend mitzuliefern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wissen Sie, Klimaschutz fällt halt nicht einfach vom Himmel, sondern Klimaschutz muss man mit konkreten Gesetzen und Vorschlägen machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erleben das gleiche Scharmützel, das wir seit Jahren kennen: Die SPD will keinen höheren CO2-Preis, die Union blockiert beim Ausbau der erneuerbaren Energien und bei einem vernünftigen sozialen Ausgleich. Aber, ehrlich gesagt, ich denke, von Ihnen hätte gar niemand ein ambitioniertes Sofortprogramm erwartet. Dieses Versagen war von der Öffentlichkeit längst eingepreist.

Aber was ich Ihnen von der SPD und ganz besonders Ihrem Kanzlerkandidaten vorwerfe, ist das, was Sie in den letzten Wochen abgezogen haben. Das hat noch mal eine ganz andere Qualität. Sie haben sich entschlossen, bewusst gegen eine ambitionierte Klimaschutzpolitik, die Sie vor zwei Wochen selbst noch gefordert haben, zu Felde zu ziehen. Das ist angesichts der Herausforderungen mehr als armselig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der SPD – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Das hätten Sie am Freitag ja mal erklären können! Warum haben Sie denn die Aktuelle Stunde dafür nicht genutzt?)

Liebe Union, statt eine Debatte über den richtigen Weg zu führen und eigene Vorschläge zu bringen, versuchen Sie, diese Debatte zu zerstören.

Liebe SPD, statt sich um die berechtigten Sorgen der Menschen im Übergang und um einen wirksamen sozialen Ausgleich zu kümmern, schürt euer Kanzlerkandidat Olaf Scholz ausgerechnet gemeinsam mit Andi Scheuer – dass euch das nicht selber peinlich ist – für eine „Bild“-Schlagzeile Ressentiments um Benzinnot.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundeskanzlerin macht sich ja immer Sorgen über die gesellschaftlichen Mehrheiten beim Thema Klimaschutz. Genau diese gesellschaftlichen Mehrheiten, die es im Moment gerade gibt, versuchen Sie zu untergraben. Sie stellen Ihre kurzfristigen Parteitaktiken und Ihren Wahlkampf über den gesellschaftlichen Zusammenhalt und über das Wohl des Landes. Das ist bei dieser historischen Aufgabe unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Timon Gremmels [SPD]: Frau Baerbock hat doch diese Debatte angezettelt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden die gigantische Aufgabe, die vor uns liegt, nicht mit Poesiealbumsprüchen und einem Zickzackkurs à la Armin Laschet oder einseitigen Verkürzungen à la Olaf Scholz bewältigen. Sie können das ja noch einmal nachlesen, zum Beispiel gestern beim Rat für Nachhaltige Entwicklung und bei der Leopoldina: Es braucht eine CO2-Bepreisung und kluges Ordnungsrecht und eine Förderpolitik und eine offensive Investitionspolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Timon Gremmels [SPD]: Das machen wir doch!)

Wir brauchen eine Offensive für erneuerbare Energien, und wir müssen schneller raus aus der Kohle. Wir müssen Bahn, Bus und Fahrrad ausbauen, und wir müssen so schnell wie möglich raus aus dem Verbrennungsmotor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Das sagt aber nicht die Leopoldina! Sie müssen schon richtig zitieren, Herr Hofreiter!)

Das alles sind Instrumente und Maßnahmen, die ineinandergreifen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, können wir keine Wunschliste machen, aus der man sich raussucht, was einem gerade ideologisch oder wahlkampftaktisch in den Kram passt. Hören Sie endlich auf, das eine gegen das andere auszuspielen. Klimaschutz erfordert jetzt aufgrund des jahrelangen Nichthandelns, dass wir in allen Bereichen und mit allen Instrumenten handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wir haben die Klimaschutzziele 2020 erreicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so unverantwortlich Ihr Handeln ist: Die vielen Fragen der Menschen in unserem Land sind es nicht. Wir haben wahnsinnig viel Zeit verloren beim Klimaschutz. Umso größer sind jetzt die Herausforderung und der Zeitdruck. Da gibt es berechtigte Sorgen.

(Timon Gremmels [SPD]: Ist euch egal!)

Die Beschäftigten der Autoindustrie sorgen sich um ihre Arbeitsplätze, Menschen auf dem Land um ihre Mobilität, Mieterinnen und Mieter über weiter steigende Mieten.

(Timon Gremmels [SPD]: Ist euch doch auch egal!)

Genau dafür machen wir konkrete Vorschläge. Unser Ziel ist es, mit dem Energiegeld vor allem Menschen mit geringerem Einkommen zu entlasten. Während Sie öffentlich polemisieren, kümmern wir uns um den sozialen Ausgleich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Timon Gremmels [SPD]: Wo denn? – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Da müssen Sie doch selber lachen, Herr Hofreiter!)

Unser Ziel ist, mit Klimazuschüssen Geringverdiener bei der Anschaffung eines emissionsfreien Autos oder einer Wärmepumpe zu unterstützen; Sie hingegen verunsichern Pendlerinnen und Pendler. Unser Ziel ist, dass die Eigentümer den CO2-Anteil der Heizkosten tragen statt die Mieter/-innen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die können nämlich die Art der Heizung nicht auswählen; das kann der Vermieter machen. Unser Ziel ist eine aktive Industriepolitik und Qualifizierung für die Arbeitsplätze von morgen. Und: Wir wollen ein sozial gerechteres Land mit höherem Mindestlohn, mit starken Gewerkschaften und mit guten Löhnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Mit höheren Steuern und mehr Verboten! Das ist doch Ihr Ziel!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf dem Weg zur Klimaneutralität müssen wir als Gesellschaft über uns hinauswachsen. Das macht Führung aus. Genau diese Führung verweigern Sie, verweigern Armin Laschet und Olaf Scholz. Die Richtlinienkompetenz beim Klimaschutz haben Sie doch längst abgegeben. Es wird Zeit, dass Schwarz-Rot insgesamt seine Richtlinienkompetenz abgibt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war die Rede für den Parteitag am Samstag!)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Matthias Miersch, SPD.

(Beifall bei der SPD)