Rede von Renate Künast Nahrungsmittelversorgung

Renate Künast MdB
18.01.2023

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer/-innen! Ja, ich glaube, dass die Bäuerinnen und Bauern, auch die Jungbäuerinnen und ‑bauern, mehr verdient haben als alten Wein in neuen Schläuchen oder in einer neuen Drucksache. Frau Stumpp erzählt zum Weinbau, dass er ohne Chemie nun überhaupt nicht mehr ginge. Ich sage Ihnen mal: Der allergrößte Teil der Weine, die von Mitgliedern von ECOVIN oder vom Verband Deutscher Prädikatsweingüter hergestellt werden, ist biozertifiziert.

(Zuruf des Abg. Steffen Bilger [CDU/CSU])

Zur Tierhaltung. Sie sagen ja immer, Sie wollen bei der Tierhaltung was verbessern. Jetzt, wo wir sagen, dass wir eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung einführen, tun Sie so, als hätten die deutschen Bauern oder Tierhalter was zu verbergen. Was ist denn los? Ich verstehe es nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP] – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Wer ist denn hier destruktiv, Frau Künast?)

Sie reden auch über die Ferkel. Also, ich glaube nicht, dass die was zu verbergen haben.

Ich glaube auch, dass die, die heute schon mit mehr Platz und mehr Zeit für die Tiere arbeiten, auch ein Recht darauf haben, dass es endlich eine verpflichtende Haltungskennzeichnung gibt, damit bei allen tierischen Erzeugnissen nicht nur die Verbraucher wissen, was sie kaufen, sondern die Bauern, die mehr Aufwand haben, sich im Wettbewerb auch ordentlich darstellen können. Freiwillig reicht nicht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP] – Hermann Färber [CDU/CSU]: Aber das stimmt ja nicht! – Christina Stumpp [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht!)

Sie haben nichts zu verbergen.

Ich sage Ihnen auch noch einen Satz zu Ihrer Gentechnik. Es hat hier doch gar keiner gesagt, dass wir die Gentechnik oder CRISPR/Cas9 verbieten wollen. Es geht um die Kennzeichnung. Ich sage noch mal: Was glauben Sie denn, was diese Riesenkonzerne mit dem Geld, das sie da verdient haben, zu verbergen haben?

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Erzählen Sie doch keinen Unsinn! – Steffen Bilger [CDU/CSU]: Das sind doch uralte Argumente!)

Wenn die was zu verbergen haben und es nicht kennzeichnen wollen, dann sollten Sie es auch nicht den deutschen Bauern unterschieben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP])

Ihr Herr Merz hat gerade beim Deutschen Bauernverband zu Pflanzenschutzmitteln gesagt: Solange diese keiner umfassenden Folgenabschätzung unterzogen wurden, sei er nicht dafür, weitere Verschärfungen bei der Anwendung zu haben.

(Zuruf des Abg. Albert Stegemann [CDU/CSU])

Wollen Sie mir jetzt wirklich erzählen: „solange diese bisher keiner umfassenden Folgenabschätzung unterzogen wurden“, und das haben Sie in den 16 Jahren nicht unterbunden? Die Gesundheit der Bauern, der Kunden usw. – –

(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Es geht um die Pflanzenschutzverordnung dabei!)

– Ja, Sie müssen sich mal überlegen, was für Argumente Sie bringen:

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Entweder war ein Mittel früher zugelassen – dann gab es eine Folgenabschätzung – oder nicht.

Worüber wir an der Stelle reden müssen: Wenn wir den Green Deal neu diskutieren, nach Putin, dann sage ich: Hier ist der Vorhang brutalst weggezogen worden. Faktenbasiert und wissenschaftsbasiert muss es schärfer werden, meine Damen und Herren.

Zur Ernährungssicherung. Gut, dann gehen Sie endlich in die Abkehr von Ihrem ewigen „Export! Export!“ und „Wachse oder weiche!“. Schön.

(Christina Stumpp [CDU/CSU]: Das hat doch keiner gesagt! – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Es geht um Selbstversorgung! Das steht schon in der Überschrift! – Nina Warken [CDU/CSU]: Es wird nicht besser, nur weil man schreit!)

Wir nutzen heute schon 60 Prozent der Agrarfläche für Tierfutter – das sind 10 Millionen Hektar der Fläche –, nur 20 Prozent für menschliche Ernährung. Nutzen wir sie doch für den Menschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir importieren 140 Millionen Tonnen Lebensmittel, landwirtschaftliche Erzeugnisse, in die EU. Wir schmeißen 153,5 Millionen Tonnen weg. Meine Damen und Herren, da ist doch was falsch. Vielleicht gehen wir mit Food Waste mal anders um.

Lassen Sie uns über Alternativen reden. Ich würde auch gerne über die Nutzung von Eiweißpflanzen für die menschliche Ernährung –

(Sylvia Lehmann [SPD]: Ja! Ich auch!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Aber jetzt nicht mehr, Frau Kollegin. Sie müssen zum Schluss kommen.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– statt für die Tierhaltung reden.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Was wir tun, ist, für Transparenz und Klarheit im Wettbewerb zu sorgen. Der Umbau der Tierhaltung kommt.

(Christina Stumpp [CDU/CSU]: Ohne Finanzierung!)

Der Umbau der Tierhaltung wird kommen, auch wenn manche gerne so tun –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Künast, bitte.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– ja –, als wollten sie den Umbau, ihn am Ende aber gar nicht umsetzen.

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Tun Sie das, was Sie sagen, und kommen Sie zum Ende!)

Ihre Verantwortung ist nicht, –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin Künast.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– zu meckern, sondern Zukunft herzustellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Ich bin schon froh, Frau Kollegin, dass Sie sich nicht am Pult festgeklebt haben.

(Heiterkeit – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke für die Idee!)