Rede von Dr. Jan-Niclas Gesenhues Nationale Wasserstrategie
Dr. Jan-Niclas Gesenhues (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gesetze der Länder und des Bundes zum Schutz unseres Wassers sind nicht mehr zeitgemäß. Das muss man in dieser Deutlichkeit aussprechen. Und das liegt daran, dass sie zu einer Zeit geschrieben worden sind, als man dachte: Na ja, Wasser wird schon immer in ausreichender Menge und ausreichender Qualität zur Verfügung stehen. – Aber das ist nicht mehr so. In Zeiten der Klimakrise ist diese Ansicht überholt. Und unser Wasserrecht braucht dringend ein Update.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])
Wem das bisher noch nicht klar war, der konnte spätestens im letzten Sommer, in diesem dramatischen Dürresommer, sehen, was das bedeutet. Wir hatten Niedrigpegelstände im Rhein, bei Emmerich zum Beispiel von 4 Zentimetern – das muss man sich mal überlegen! Wir hatten die geringste Bodenfeuchte unter Grünland seit 60 Jahren. Wir können uns diesen Umgang mit Wasser in Zeiten der Klimakrise nicht mehr leisten. Wir brauchen hier grundlegende Änderungen, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Wem diese Zahlen und Fakten vielleicht ein bisschen zu abstrakt sind, dem helfen ja manchmal auch persönliche Erfahrungen weiter. Ich kann für mich sagen: Bei mir zu Hause im Kreis Steinfurt ist in diesem Sommer die Entnahme von Oberflächenwasser verboten worden – aus der Not heraus, weil einfach nicht mehr genug Wasser da war. Das ist ja genau das, was wir mit einer vorsorgenden Politik verhindern müssen, damit wir nicht in eine Situation kommen, wo wir aus der Not heraus Verbote aussprechen müssen. Wir wollen Verbote verhindern.
(Zuruf von der AfD: Das war der beste Witz!)
Aber dafür braucht es eine vorsorgende Wasserpolitik, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Oder ein anderer persönlicher Eindruck: Ich war in diesem Sommer an der Oder, als die Oder-Katastrophe war und Hunderttausende von toten Fischen an der Oberfläche geschwommen sind. Ich habe diesen beißenden Kadavergeruch noch Tage in der Nase gehabt. Es war eine teuflische Kombination aus Klimakrise und Einleitung von Schadstoffen, die dazu geführt hat, dass dieses große Fischsterben ausgelöst worden ist; das hat übrigens auch viele Menschen direkt betroffen: die von dem Fluss leben, die mit dem Fluss leben, die vom Tourismus leben oder von der Fischzucht. Das ist dramatisch, und wir müssen dafür sorgen, dass sich das nicht wiederholt. Auch dazu leistet die Wasserstrategie der Bundesregierung einen wichtigen Beitrag.
Wir wollen einen grundlegend anderen Umgang mit unserem wichtigsten Lebensmittel, mit unserem Lebensmittel Nummer eins: mit unserem Trinkwasser.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Was brauchen wir dafür? Wir brauchen eine Priorisierung beim Umgang mit Wasser. Die Trinkwasserversorgung muss konsequent Vorrang haben. Und wir müssen darauf achten, dass auch unsere Ökosysteme, unsere Gewässer einen gesunden Wasserhaushalt haben; denn unsere Ökosysteme sind unsere wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, wir müssen aber auch an die Entnahme ran. Es kann nicht sein, dass wir Wasser, ein öffentliches Gut – ich muss das so deutlich sagen –, teilweise verramschen für privatwirtschaftliche Interessen. Das muss beendet werden. Wir brauchen eine grundlegende Reform der Entnahme. Es muss klar gesagt werden: Die Volumen, die entnommen werden, dürfen nur so groß sein, dass der Wasserhaushalt intakt bleibt.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mindestens!)
Und es müssen auch angemessene Preise dafür aufgerufen werden, wenn unser Grundwasser für privatwirtschaftliche Zwecke genutzt wird.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Völlig klar für uns ist, meine Damen und Herren: Wenn wir unsere Wasserressourcen schützen wollen, dann darf es kein Fracking geben, dann brauchen wir weniger Pestizide in den Wasserschutzgebieten und weniger Eintrag von Dünger; denn die Nitratbelastung ist ein Riesenproblem für unsere Ökosysteme und für unseren Wasserhaushalt. Herr Bleck, das ging völlig am Thema vorbei.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
All das geht die Bundesregierung mit der Wasserstrategie an. Dafür bin ich sehr dankbar.
Wenn die Union davon spricht, dass wir auf Bundesebene keine neuen Strukturen brauchen, dann hat sie, glaube ich, den Ernst der Lage und die Dramatik einer nationalen Wasserkrise nicht verstanden. Deswegen werden wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Schade!)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)