Rede von Agnieszka Brugger NATO-Beitritt Finnland und Schweden

08.07.2022

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Exzellenzen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch dieser irrlichternde Beitrag gerade kann nicht darüber hinwegtäuschen

(Zuruf von der LINKEN)

– ich komme gleich noch dazu –, dass von dieser Bundestagsdebatte die klare Botschaft an unsere Freundinnen und Freunde in Finnland und in Schweden ausgeht, dass sie so was von herzlich willkommen sind in unserem Verteidigungsbündnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU])

Das ist ein starkes Zeichen der Entschiedenheit, der Geschlossenheit und der Solidarität hier im Bundestag, aber auch des Bündnisses.

Ja, es ist ein großer Gewinn für die euroatlantische Sicherheit, dass aus engen, altbewährten EU-Partnern nun neue, noch engere NATO-Verbündete werden.

(Zuruf von der LINKEN: Toll!)

Das liegt nicht allein daran, dass es militärisch sehr fähige Staaten sind, die einen wertvollen und hochwertigen Beitrag zum Schutz unseres gemeinsamen Bündnisgebietes leisten werden, sondern – und da sollte Die Linke vielleicht zuhören – Finnland und Schweden sind zwei Staaten, die eine starke Stimme in der Welt sind für handlungsfähige Diplomatie, für Rüstungskontrolle, für zivile Konfliktbearbeitung, für eine feministische Außenpolitik. Wenn ich in das neue Strategische Konzept der NATO schaue, dann stelle ich fest – und das finde ich gut –, dass die NATO sich hier weiterentwickeln will. Die NATO wird von den Beiträgen Finnlands und Schwedens mehr als profitieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU])

Jetzt komme ich zu Ihrer anderen Kritik. Es ist in der Tat, ich glaube, für alle schwer erträglich,

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, stimmt! Schwer erträglich! Sehr schwer erträglich sogar!)

dass Präsident Erdogan das Einstimmigkeitsprinzip in der NATO brutal für seine eigenen Interessen ausnutzen wollte. Ich kann aber allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nur raten, die sehr klug formulierte Erklärung zwischen Finnland, Schweden und der Türkei einmal wirklich anzuschauen. Ich kann nicht verstehen – ich verstehe ja, dass Sie aus Prinzip immer kritisch mit uns sein wollen; aber Sie sind doch normalerweise immer noch kritischer mit Präsident Erdogan –, warum Sie jetzt sein Geschäft betreiben und sich die Interpretation dieses Textes, die er in seinem Wahlkampf braucht, zu eigen machen; das versteht wirklich niemand.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vor allem: Glauben Sie denn, dass es für Präsident Erdogan leichter oder schwerer wird in der NATO, wenn Finnland und Schweden die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und auch den kritischen Kurs gegenüber der Türkei unterstützen werden? Also, vielleicht sollten Sie sich das noch einmal anschauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, auch hier im Hohen Hause haben wir in vielen Debatten in den letzten Jahren immer wieder dieses Narrativ gehört von dem armen Herrn Putin, der umzingelt wurde von der NATO-Osterweiterung, der in seiner Sicherheit bedroht ist. Schauen wir uns doch einmal an, was seit dem 24. Februar passiert ist: Dieser Krieg hat dazu geführt, dass es harte Wirtschaftssanktionen gibt, die die russische Wirtschaft empfindlich treffen, dass Russland außenpolitisch durch viele Staaten stark isoliert ist, dass wir an der NATO-Ostflanke deutlich mehr Truppen stationieren werden und dass jetzt zwei weitere Staaten der NATO beitreten und eine neue, über 1 000 Kilometer lange Grenze direkt bei Russland entsteht. Das zeigt auch, wie wenig er bereit ist, zu verhandeln: dass er Tausende russische Soldaten verheizt und dass er seine Sicherheitsinteressen, die Sicherheitsinteressen seines Landes, die ihm angeblich so wichtig waren, für seine imperialistische, menschenverachtende Ideologie opfert. Deshalb müssen wir uns erst recht jeden Tag fragen, was wir noch mehr tun können, um die Menschen in der Ukraine zu unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, ja, man kann feststellen: Dieser wichtige Schritt Finnlands und Schwedens nach einer sehr langen Zeit der Kultur der Neutralität ist sicherlich auch ein Ausdruck von Sorge um die eigene Sicherheit. Er steht aber auch dafür, dass, wenn Kriegsverbrechen schlimmsten Ausmaßes begangen werden, wenn Tag für Tag Menschenrechte skrupellos verletzt werden, wenn Völkerrecht brutal gebrochen wird, internationale Kooperationen und die Friedensordnung attackiert werden, unsere Freundinnen und Freunde in Skandinavien eben nicht neutral bleiben, sondern dass wir gemeinsam mit ihnen im Bündnis, in der EU Partei ergreifen für die unschuldigen Menschen in der Ukraine, für Frieden, Sicherheit und Menschenrechte. Deshalb bin ich sehr dankbar und sehr froh, dass heute auf diesem Weg in dieser Debatte ein solches Zeichen der Geschlossenheit, der Entschlossenheit und der klaren Wertevorstellungen ausgeht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alice Weidel [AfD]: Mein Gott!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Jürgen Hardt.

(Beifall bei der CDU/CSU)