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15.04.2021

Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seinen Ausgang nahm die heute zu diskutierende Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes im Koalitionsvertrag der Großen Koalition, in dem der Insektenschutz versprochen wurde. 2018 wurde ein Eckpunktepapier für ein Aktionsprogramm Insektenschutz verabschiedet. 2019 wurde das Aktionsprogramm Insektenschutz vom Kabinett verabschiedet. Ich habe das damals gelobt. Wir waren in einer Situation, die fast schon ein Stück weit Euphorie für Naturschützer gewesen ist: Wir hatten Volksbegehren für mehr Insektenschutz. Wir hatten eine Agrarministerin, die die Biene als systemrelevant erkannt hatte. Und wir hatten eine Umwelt- und eine Agrarministerin, die sich Arm in Arm ablichten ließen und eine neue Diskussionskultur zwischen diesen beiden Häusern implementieren wollten.

(Michael Theurer [FDP]: Das war die Frau Künast, ne?)

Das ist alles verdammt lange her. Wir hatten 2020 dann einen Referentenentwurf für einen Insektenschutz, dem die Agrarministerin nicht zugestimmt hat. Und wir haben jetzt eine Rumpfgesetzesänderung, eine Änderung des BNatSchG, in dem von den ursprünglichen Versprechungen für mehr Insektenschutz so gut wie nichts enthalten ist.

Da muss ich Frau Klöckner vor Ihnen, Frau Konrad, wirklich in Schutz nehmen: In diesem Gesetzentwurf, den wir hier heute Abend diskutieren, ist nicht der Untergang der Landwirtschaft enthalten. Das wäre im Übrigen auch nicht mein Wunsch; ich vermute, von niemandem hier im Haus.

Aber wir hatten als Opposition die Erwartung, dass die Bundesregierung das Versprechen einlöst, wirklich einen Ausgleich zu schaffen zwischen Insektenschutz, Naturschutz und der Landwirtschaft, sei es finanziell, sei es durch einen breit angelegten Dialog mit Wissenschaft, mit Landwirten, mit dem Naturschutz. Nada, von all diesen Sachen hat nichts stattgefunden. Sie haben diesen Prozess versenkt. Wir haben jetzt die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, die wahrscheinlich von der CDU/CSU noch weiter verändert wird. Wir haben das Rumpfgesetz beim BNatSchG. Nichts von dem reicht, um tatsächlich den Insektenschutz zu gewährleisten, den wir brauchen. Trotzdem haben wir Bauernproteste. Sie haben die Aussöhnung in diesem Prozess wirklich komplett versemmelt, und das mache ich Ihnen für den gesellschaftspolitischen Bereich massiv zum Vorwurf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was in diesem Gesetzentwurf fehlt, ist, dass er in irgendeiner Form Regelungen für die Normallandschaft trifft. Er beschäftigt sich mit Schutzgebieten und grenzt dort den Pestizideinsatz in geringem Umfang ein – es ist nicht mal viel –, aber für die Normallandschaft regelt dieser Gesetzentwurf überhaupt nichts. Auch das, was ursprünglich mal dringestanden hat, der Refugialflächenansatz, ist aus dem Gesetzentwurf verschwunden. Für die Nichtexperten: Das sind Rückzugsorte, Ausgleichsorte, wo sich Insekten vermehren können und nicht durch menschliche Eingriffe tangiert werden. Es wird von Ökologen massiv eingefordert, dass wir diese Flächen haben.

Im Wasserhaushaltsgesetz regeln Sie die Gewässerrandstreifen in einem nicht hinreichenden Umfang. Selbst bei der Lichtverschmutzung – ich habe mich überzeugen lassen, dass es gut ist, das in diesem Gesetzentwurf zu regeln – springen Sie zu kurz, indem Sie den Betrieb von Himmelsstrahlern nicht über den gesamten Sommer untersagen, sondern einen Ausnahmemonat ermöglichen. Völlig unverständlich!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])

Wenn ich mehr Redezeit hätte, könnte ich diese Aufzählung fortsetzen.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Ja, aber nur dann.

Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Aber die habe ich leider nicht, Herr Präsident.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Allerdings.

Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Deshalb: Versuchen Sie wenigstens, jetzt noch zu retten, was für den gesellschaftlichen Bereich zu retten ist, und zerlegen Sie sich weder in der Koalition noch innerhalb der CDU/CSU weiter, wenn es um Naturschutz und Landwirtschaft geht!

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Das ist das Problem, wenn man so viel Zwischenbeifall kriegt; das frisst Redezeit.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotzdem schön!)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Rainer Spiering.

(Beifall bei der SPD)