Rede von Dr. Konstantin von Notz Neubaustrecke Hamburg – Lübeck – Puttgarden

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02.07.2020

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Feste Fehmarnbeltquerung steht sinnbildlich für eine völlig verkorkste Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte, und das ist vor allen Dingen eine Verkehrspolitik der Großen Koalition.

(Martin Reichardt [AfD]: Und der Adel ist auch schuld!)

Der Staatsvertrag stammt aus dem Jahr 2008. Schon damals lagen alle massiven Probleme dieses Projekts offen auf dem Tisch. Dennoch weigert sich die Bundesregierung bis heute, all die offenen Fragen ernsthaft zu beantworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen schwadroniert man – auch hier heute – in blumigster Beratersprache vom „Jahrhundertprojekt“, von einer „neuen europäischen Verkehrs-Aorta“. All das ist Quatsch, und Sie wissen es. Ein echter verkehrlicher Nutzen war nie gegeben. Sie verbuddeln 4 Milliarden Euro – 4 Milliarden Euro! – für die Anbindung eines Tunnels, eine Planung aus dem Kalten Krieg, von vor über 30 Jahren.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Ah!)

– Ja, Kalter Krieg; da schlägt das Herz höher, ja?

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

Entlang des Eisernen Vorhangs wurde dieses Projekt geplant, für lächerliche 10 000 Fahrzeuge am Tag – dafür baut man nicht einmal eine Umgehungsstraße.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir brauchen auch keine Umgehungsstraße!)

Sogar als Innenpolitiker kann man verstehen: Es gibt keinen verkehrlichen Nutzen, eine verkehrliche Realität ist nicht gegeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es findet auch keine Verlagerung von Verkehr auf die Schiene statt – das können Sie hundertmal behaupten –, sondern eine Verlagerung von der Schiene auf die Schiene,

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Raffiniert!)

eine Verlagerung Richtung Osten. Gleichzeitig wird eine seit Jahren bewährte Fährverbindung mit vielen guten Arbeitsplätzen gefährdet. Das Motto „from road to sea“ wird ad absurdum geführt.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Oi!)

Der „Spiegel“ hat bereits vor zehn Jahren – vor zehn Jahren! – vor dem Milliardengrab am Fehmarnbelt gewarnt. Rechnungshof und Rechnungsprüfungsausschuss – für die Freaks, die das Steuergeld beschützen wollen –

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Kirsten Lühmann [SPD])

sprechen genauso lange von nicht absehbaren Risiken für die öffentlichen Haushalte.

Die ökologischen Risiken, meine Damen und Herren, sind mindestens so groß wie die ökonomischen: Die Querung liegt in einem hochsensiblen, mehrfach geschützten EU-Flora-Fauna-Habitat, dem einzigen deutschen Schweinswalaufzuchtgebiet.

(Martin Reichardt [AfD]: Da geht mal wieder die Welt unter!)

Jetzt kommen auch noch die Riffe hinzu, Herr Abgeordneter Scheuer.

(Beifall der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Sind Sie jetzt für den Schienenverkehr oder nicht?)

Gegen den Planfeststellungsbeschluss gibt es 13 000 Einwände von deutscher Seite.

(Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Scheinheilig!)

Vor dem Bundesverwaltungsgericht werden demnächst acht Klagen verhandelt, und die haben gute Aussicht auf Erfolg.

(Martin Reichardt [AfD]: Vorfeldorganisation und Hilfsverein!)

Dieses 4-Milliarden-Euro-Projekt – das gehört zur parlamentarischen Wahrheit dazu – war Ihnen noch nicht mal eine Anhörung wert. Das ist parlamentarisch unter aller Kanone, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zum Schluss: Sie haben jahrelang mit Tausenden von Freiwilligenstunden Ehrenamtliche im Dialogforum eingespannt. Ihre eigene Staatssekretärin sagt: Billigvariante, riesige Enttäuschung für Ostholstein.

(Kirsten Lühmann [SPD]: Es ist fast alles erfüllt! Was ist daran billig?)

Ich sage Ihnen etwas – vielleicht weiß man das in Reutlingen nicht –: Schleswig-Holstein hört nicht hinter Lübeck auf,

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Richtig!)

der Zug fährt dann auch nicht in den Himmel oder so, sondern dahinter kommen Kreise: Herzogtum Lauenburg, Stormarn, der Hamburger Rand. Da fahren dieselben 830 Meter langen Güterzüge laut durch.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Deshalb ist da auch schon neuer Lärmschutz installiert!)

– Es ist nicht Ihr Wahlkreis, Herr Gädechens, ich weiß. – Und wie viele Euro wurden investiert? Null Euro.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nein, von Hamburg bis Lübeck ist der neue Lärmschutz installiert!)

Erklären Sie das einmal den Menschen!

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das wird nicht funktionieren.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Danke schön, Konstantin von Notz. – Herr Scheuer, wir hatten vor ein paar Stunden besprochen: keine Zwischenfragen und keine Kurzinterventionen.

(Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Ich mache es mit Zwischenrufen!)

– Sie haben es mit Zwischenrufen gelöst, genau.

Nächster Redner: Ingo Gädechens für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)