Rede von Sven-Christian Kindler Normenkontrolle zum Zweiten Nachtragshaushalt 2020

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29.10.2020

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wir Grünen haben Kritik am zweiten Nachtragshaushalt geübt, so wie das im normalen parlamentarischen Verfahren auch üblich ist, und wir haben dem zweiten Nachtragshaushalt auch nicht zugestimmt, weil wir gesagt haben: Es fehlt ein befristeter Krisenaufschlag für ALG-II-Empfängerinnen und -Empfänger, es fehlt eine Unterstützung für Soloselbstständige, die auch ihren Unternehmerlohn ansetzen können, es fehlen gezielte Hilfsmittel für die Veranstaltungswirtschaft. Gerade jetzt sehen wir ja, dass es extrem notwendig gewesen wäre. Wir fordern Sie auf: Bessern Sie da nach! Es braucht endlich wirksame Hilfen für Soloselbstständige und die Veranstaltungswirtschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE] – Otto Fricke [FDP]: Da hat er recht!)

Aber wir haben nicht gesagt, dass dieser Nachtrag zum Haushalt verfassungswidrig ist. Man kann Kritik üben, man kann zu anderen Abstimmungsergebnissen kommen. Aber er ist nicht verfassungswidrig; denn die Inanspruchnahme der Ausnahmeregel nach Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 des Grundgesetzes erfordert, dass eine außergewöhnliche Notsituation vorliegen muss, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und zu einer erheblichen Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage führt. – Das ist die Formulierung aus dem Grundgesetz.

Niemand hier im Haus kann doch ernsthaft bestreiten, dass der Fall einer schweren, weltweiten Pandemie, die sich auch in Deutschland massiv auswirkt, zu einer ganz schweren Notlage des Staates und der Finanzlage geführt hat. Das hat extreme Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf Unternehmen, auf Beschäftigte, auf die Bevölkerung, insbesondere auf das Gesundheitssystem, das wir in diesen Zeiten auch wieder extrem schützen müssen.

Nur die AfD leugnet das. Warum leugnet sie das? Weil Sie eine Partei der Coronaleugner sind.

Man sieht in den USA, was passiert, wenn rechtsradikale Coronaleugner regieren: Dann gibt es Hunderttausende Tote, massives Chaos, die Wirtschaft geht nach unten und Intensivstationen kollabieren. Das wollen wir nicht in Deutschland. Es ist gut, dass das hier in Deutschland nicht passiert ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Die Annahme, dass dieser zweite Nachtragshaushalt gegen die Verfassung verstößt, ist einfach nicht zutreffend; das ist einfach falsch. Es gibt im Grundgesetz keine Regel, die sagt, wie hoch die Inanspruchnahme der Kreditaufnahme ist. Es gibt auch im Ausführungsgesetz keine maximale Obergrenze für die Aufnahme der Kredite. Es gibt auch keine Vorgaben für die Aufnahme von Rücklagen und dazu, wie sie zu beachten sind oder ob sie nicht aufzufüllen sind.

Otto Fricke und andere Kolleginnen und Kollegen, auch Esther Dilcher, haben es gesagt: Der Haushaltsgesetzgeber hat bei seinen Maßnahmen einen breiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum. Natürlich muss das nachvollziehbar sein, und es muss erklärbar sein; das ist richtig. Aus unserer Sicht ist es das auch. Man kann sehr gut begründen, warum bestimmte Ausgaben zur Bewältigung dieser Pandemie notwendig sind, auch bestimmte Investitionen, die die wirtschaftliche Misere abfedern. Das ist alles begründbar und nachvollziehbar.

Auch wir haben diesen Nachtragshaushalt in Teilen kritisiert; Teile haben wir auch richtig gefunden. Aber wir haben klar gesagt: Dieser Nachtragshaushalt war nicht verfassungswidrig. Da ist die AfD einfach auf der völlig falschen Spur.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Vielleicht ist es ein naiver Wunsch, aber ich wünsche mir eigentlich auch mehr Demut von der AfD. Wer so viele Spendenskandale hat – bei Frau Weidel, bei Herrn Meuthen, auch bei Herrn Boehringer –,

(Widerspruch des Abg. Peter Boehringer [AfD])

der sollte sich hier nicht scheinheilig zum Hüter von Recht und Gesetz aufschwingen, sondern erst mal vor der eigenen Tür kehren.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Sven-Christian Kindler. – Letzter Redner in dieser Debatte: Florian Oßner für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ham wir’s richtig? Jetzt kommt das Gillamoos.