Rede von Erhard Grundl Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk

Foto von Erhard Grundl MdB
19.01.2023

Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was uns hier vorliegt, ist ein erneuter plumper Versuch, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu diskreditieren. Dafür biegt man sich die Wahrheit auch schon mal so zurecht, bis sie ins flache Weltbild passt, und das gleich schon im Titel. So kennen wir aber auch die antragstellende Fraktion. Sie ignoriert einfach den laufenden Reformprozess des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Als Medienpolitiker – da muss man nicht gendern, weil es bei der AfD nur Männer sind; von den Medienpolitikern der AfD ist keiner da – kann man auch das Vorliegen des dritten Medienstaatsvertrages schon mal übersehen. Im Medienstaatsvertrag wird eine Profilschärfung des Markenkerns des ÖRR vorgenommen. Er geht auf die aktuellen Formen der Mediennutzung aller – und ganz besonders der jüngeren Generationen – ein. Der Medienstaatsvertrag schreibt den Telemedienauftrag fort und stellt damit dem linearen Angebot die Mediatheken an die Seite. Es ist ein Staatsvertrag, der sich zu Fragen der Nachhaltigkeit positioniert, und vieles mehr. Das alles bleibt Ihnen verborgen.

Aber den Parteivorturnern der AfD geht es natürlich nicht um solche Sachen. Diesen Leuten ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk bekanntlich ganz grundsätzlich ein Dorn im Auge. Den Qualitätsjournalismus, die Journalistinnen und Journalisten – wir haben es gerade wieder erlebt –, besonders die des ÖRR, hassen Sie,

(Jörn König [AfD]: Hass ist keine Meinung! – Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

weil diese Journalisten unabhängig sind und unangenehme Fragen stellen: etwa Fragen nach geplanten Bundestagsbüros von AfD-Abgeordneten in Moskau, eher skurrile Fragen nach Mettfett bei Ihrem Catering-Auswuchs im Rahmen der Party der Bundestagsabgeordneten, aber auch durchaus ernste Fragen wie nach Schießübungen mit Rassisten in Südafrika oder Fragen nach ehemaligen Abgeordneten der AfD, die wegen Umsturzplänen verhaftet werden – und, und, und.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das müssen Sie erst mal belegen!)

Ich habe leider nur drei Minuten, man könnte diese Aufzählung stundenlang fortsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Die AFP meldete am 9. Oktober letzten Jahres: Am Rande der von der AfD organisierten Demonstration in Berlin ist es am Samstag zu Angriffen auf Journalistinnen und weiteren Zwischenfällen gekommen. Teilnehmer der Veranstaltung hatten versucht, die Berichterstattung zu unterbinden.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das macht üblicherweise die Antifa!)

Es sei Aufnahmetechnik beschädigt worden, erklärte die Berliner Polizei. Sie wollen die mundtot machen, die Ihnen auf die Finger schauen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wir machen jemanden mundtot? Ihr habt doch den Rundfunk! Das ist doch eure Macht! – Weiterer Zuruf von der AfD: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Das, meine Damen und Herren, ist des Pudels Kern hinter diesem Antrag, und er ist nicht besonders schwer zu erkennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein starker Partner in Deutschlands diverser Medienlandschaft – unabhängig von Parteiinteressen und von den Zwängen des kommerziellen Erfolgs.

(Martin Sichert [AfD]: Der Witz war gut! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Was für eine Ironie!)

Er fußt auf seinem Informations- und Bildungsauftrag und auf der Tatsache, dass Programmentscheidungen auf der Basis gesellschaftlicher Teilhabe

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ja, linker Gruppen!)

und Mitwirkung getroffen werden.

(Kay Gottschalk [AfD]: Nur Linke!)

Wir tragen unseren ÖRR als Gesellschaft.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ein Großteil der Bevölkerung hat das Vertrauen in den Rundfunk verloren! Zu Recht verloren!)

Wir finanzieren ihn gemeinsam durch unsere Beiträge, weil er eine faktenbasierte Grundlage für Meinungsbildungsprozesse bietet und damit die Voraussetzung für das Funktionieren der Demokratie ist, die Sie ablehnen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Kay Gottschalk [AfD], an den Abg. Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Sie lehnen die Demokratie ab, Herr Kollege! Sie haben doch eben dargelegt, was Sie von Demokratie und Pluralität halten!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Grundl. – Ich stelle um 19.22 Uhr fest: Die AfD-Fraktion ist aufgewacht.

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Petra Sitte, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)