Rede von Dieter Janecek Ökologische Digitalisierung

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14.02.2020

Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Die Digitalisierung könnte im Kampf gegen die Klimakrise ein Segen sein, sie könnte eine große Chance für eine ressourcenschonende, nachhaltige Wirtschaft sein. Doch so, wie sie heute stattfindet, ist sie das nicht. Allzu oft verzichten wir darauf, die Chancen der Digitalisierung für eine nachhaltige Verkehrswende, für eine dezentral gesteuerte Energiewende, für eine smarte und nachhaltige Landwirtschaft zum Nutzen der Landwirtinnen und Landwirte, Verbraucherinnen und Verbraucher und der Umwelt zu nutzen.

Damit wir die Chancen einer nachhaltigen Digitalisierung endlich nutzen, legen wir Grünen heute unseren Antrag für eine zukunftsfähige Digitalisierung vor;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn wir wollen mit der Digitalisierung die Klimakrise bekämpfen, statt weiter zuzusehen, wie die Digitalisierung die Klimakrise verschärft.

Zu oft lassen wir uns von dem Narrativ leiten, die Digitalisierung sei per se Fortschritt. Das ist ein grundsätzliches Problem; denn sie ist kein Selbstzweck. Über den Fortschritt für die Umwelt, für den Klimaschutz, für sozialen Fortschritt, für neue Jobs in der ökologisch-sozialen Marktwirtschaft entscheiden wir als Gesetzgeber, und das entscheiden die Start-ups und die Unternehmen draußen in einem entschieden ökologisch-sozialen Rahmen.

Diese Bundesregierung hat die ökologische Dimension der Digitalisierung leider lange weitgehend ausgeblendet. Mit dem wegweisenden Hauptgutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ ändert sich das jetzt hoffentlich.

Was wollen wir? Wir fordern von dieser Bundesregierung, dass Digitalisierung endlich in einem Rahmen von Green IT stattfindet. Legen Sie endlich eine Green-IT-Strategie vor!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben über 1 000 Rechenzentren des Bundes. Warum gehen Sie da nicht mit gutem Beispiel voran? Warum schaffen Sie dort nicht Anreize für eine Reduktion des Energieverbrauchs, übrigens auch in den Wissenschaftseinrichtungen und bei Unternehmen?

Es gibt heute neue technische Möglichkeiten bei der Kühlung von Rechenzentren wie die Wasserkühlung. In Schweden wird das bereits gemacht; die Abwärme wird dort für den Gebäudebestand genutzt. Warum machen wir das nicht auch in Deutschland?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Überarbeiten Sie auch die Digitalstrategie im Bereich künstliche Intelligenz! Stichwort „Blockchain“. Das sind ja alles Buzzwords, was von der FDP zu hören ist. Unser Antrag lautet „Digitalisierung ökologisch gestalten“; darauf sagen Sie „Ökologie digital gestalten“. Was ist denn die Botschaft dahinter? Die Botschaft muss doch sein, dass wir einen Rahmen finden. Der Rahmen heißt: Gemeinwohl, Ökologie, Nachhaltigkeit und Fortschritt; er heißt nicht, irgendwie alles digital auf den Markt zu schmeißen, auf dass es dann schon funktionieren werde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will auch auf den Antrag der FDP eingehen, weil Sie sagen: Da gibt es jetzt den Emissionszertifikatehandel, und dann wird schon alles gut. – Sie verweisen auf den Wasserbetteffekt; damit sagen Sie sozusagen: Alles, was an Wasser in dem Bett ist, bleibt dann auch drin. Ich würde sagen: Das wird zu einer überlaufenden Badewanne, wenn wir nicht endlich Leitplanken setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen die Digitalisierung in einen Rahmen bringen. Im Rahmen der französischen KI-Strategie gibt es eine Prognose, die mir Angst macht, nämlich dass der Energieverbrauch im Rahmen der IT bis 2030 um bis zu 100 Prozent steigen könnte. Das heißt, IT wird mehr verbrauchen als Flugverkehr. Beides ist schlecht. Aber wir müssen das gestalten, und darum geht es in unserem Antrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Thema geht auch uns selber an. Wir sind Abgeordnete; wir reisen viel. Das gilt auch für die Wirtschaft. Warum nutzen wir denn den Bereich der Videokonferenzen nicht deutlich besser? Da könnte man wirklich mal Technologie einsetzen und umsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernhard Loos [CDU/CSU]: Wir bleiben alle zu Hause! Genau!)

Das gilt für uns Grüne genauso wie für die CDU/CSU. Diese Möglichkeiten zu nutzen, das wäre mal ein Schritt nach vorne.

Zum Schluss möchte ich noch etwas zu dem Narrativ des Fortschritts sagen. Wir reden jetzt seit vielen Jahren im Bundestag über Digitalisierung.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege Janecek, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich bin jetzt fast am Ende der Rede. Ich würde sie gerne zu Ende bringen und dann gerne Fragen entgegennehmen, wenn Sie das zulassen, Herr Präsident.

Das Narrativ der Digitalisierung ist viel zu lange als ein Fortschrittsnarrativ von der Industrie und von Interessen geleitet gewesen, nach dem Motto „Da ist die Technologie, da ist der Fortschritt“. Wir sehen ja, dass das so nicht stattfindet; denn Uber beispielsweise sorgt eben nicht für bessere Verkehrssteuerung, sondern für mehr Stau.

Wir brauchen also einen Rahmen, der ökologisch und sozial sein muss. Wir müssen anfangen, das ernst zu nehmen; sonst laufen wir wirklich in eine systemische Krise hinein. Das wollen wir verhindern. Die Zukunft ist digital, aber sie ist ökodigital.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Martin Hebner von der AfD-Fraktion. Bitte, Herr Kollege.