08.07.2022

Swantje Henrike Michaelsen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleg/-innen! Das 9-Euro-Ticket hat jetzt schon alle Erwartungen übertroffen. Mehr als 30 Millionen Menschen haben es in den letzten Wochen gekauft. Die Bahn zählt im Schnitt 20 bis 30 Prozent mehr Fahrgäste. Fast 90 Prozent der Nutzer/-innen sind begeistert, und mehr als zwei Drittel aller Befragten finden es gut, dass es ein solches Angebot gibt. Und in den letzten Wochen sind tatsächlich weniger Staus in den Städten gemessen worden. Es ist also offenbar zumindest in Ansätzen gelungen, Menschen vom Auto in den ÖPNV zu locken. Das ist ein sehr wesentlicher Grund, ja, die Voraussetzung dafür, über ein Nachfolgeangebot nachzudenken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es stimmt: Neben dem Preis macht auch die Einfachheit das Ticket so beliebt. Endlich können Verbundgrenzen überfahren werden. Allzu oft wohnen und arbeiten Menschen an Orten, die eben nicht im selben Kreis liegen, und sie finden sich in zwei Tarifsystemen wieder, deren Kombination kompliziert und finanziell unattraktiv ist. Jetzt können sie mit einem Ticket unterwegs sein. Was für ein Gewinn!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Durch das 9‑Euro-Ticket ist der ÖPNV aber auch in der gesellschaftlichen und übrigens auch in der politischen Debatte so sehr in die Öffentlichkeit gerückt wie vielleicht niemals zuvor. Landauf, landab haben Menschen über das ÖPNV-Angebot vor Ort diskutiert, bisher unbekannte Verbindungen entdeckt, neue Wege ausprobiert. Landauf, landab haben Menschen aber auch festgestellt, dass das Angebot ihre Bedarfe nicht abbildet. Ich erinnere auch noch mal daran, wer in den letzten 16 Jahren für das Verkehrsministerium verantwortlich war.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Ach ja!)

Sie haben gemerkt, dass sie mit dem 9‑Euro-Ticket in den Nachbarlandkreis fahren könnten, die Bahn aber nicht hinfährt, dass sie mit dem 9‑Euro-Ticket von der Arbeit nach Hause fahren könnten, der Bus am Abend aber nicht kommt, dass ihre Kinder mit dem 9‑Euro-Ticket die Freundin besuchen könnten, es aber außer dem Schulbus kein Angebot gibt. Die Umfragen zeigen nämlich auch, warum viele Menschen das Ticket nicht gekauft haben: Umständliche Verbindungen, lange Fahrtdauern oder unpassende Abfahrtszeiten lassen den ÖPNV eben keine attraktive Alternative sein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es kein passendes Angebot gibt, nützt auch ein günstiges Ticket nichts. Deshalb sind Investitionen in den ÖPNV so dringend nötig und dürfen durch die Finanzierung von günstigen Tickets keinesfalls ausgebremst oder gar verhindert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Valentin Abel [FDP])

Genau das ist bei dem 9‑Euro-Ticket aber auch nicht passiert. Das Geld kam nämlich – zur Erinnerung für alle – aus dem Entlastungspaket und eben nicht aus dem ÖPNV-Topf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Kollegin Nyke Slawik hat sehr viele gute Vorschläge gemacht, woher Geld für beides, für Tickets und für den Ausbau, kommen kann. Wir müssen beides machen: ein attraktives Ticketsystem, das in Preis und Einfachheit überzeugt, und ein Angebot, das eben nicht an Verbundgrenzen, in Abendstunden oder an Wochenenden endet, sondern die Bedarfe der Menschen aufnimmt. Dann kann aus dem ÖPNV wirklich ein Rückgrat der Verkehrswende werden. Nichts weniger als das haben wir uns in der Ampel vorgenommen. Packen wir es an!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Mathias Stein hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)