Rede von Katrin Göring-Eckardt Opferentschädigung verbessern

13.12.2017

Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worte eignen sich eigentlich überhaupt nicht, um das Leid der Opfer und derjenigen zu begreifen, die ihre Angehörigen, ihre Liebsten, ihre Töchter, ihre Söhne, ihre Lebenspartner verloren haben. Es ist überhaupt nicht möglich an einem solchen Tag, der für diese Menschen eine gewaltige Zäsur bedeutet, ihr Leid in Worte zu fassen. Aber Worte sind bitter nötig. Ich sage das deswegen am Anfang meiner Rede, weil ich es kläglich finde, dass die Bundeskanzlerin ein Jahr gebraucht hat, um mit diesen Opfern überhaupt ins Gespräch zu kommen. Ich glaube, sie haben anderes erwartet, und sie haben zu Recht anderes erwartet, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP und der LINKEN)

Das ist eine menschliche Frage, aber natürlich auch eine politische Frage. In Zeiten, in denen das Vertrauen in die Institutionen immer geringer wird, ist eine angemessene Reaktion umso wichtiger.

Worte sind wichtig. Wir aber sind Gesetzgeber. Deshalb ist es für uns umso wichtiger, dass den Worten Taten folgen und sich ganz real etwas ändert. Frau Nahles und Herr Kauder, Sie haben hier gesagt, dass zu den notwendigen Taten gehört, dass aufgeklärt wird, wie ein Herr Amri überhaupt noch in Freiheit sein konnte. Natürlich verfolgen das die Opfer und die Angehörigen der Opfer.

Jetzt aber mal ganz ehrlich: Sie stellen sich heute hier hin und sagen, dass das jetzt ganz klar ist. Herr Kauder hat schon im Frühjahr gesagt, man müsse ja wohl einen Untersuchungsausschuss einrichten. Sie haben ihn aber nicht eingerichtet. Warum eigentlich nicht? Wir haben hier einen entsprechenden Antrag gestellt. Wir haben nachgefragt: Warum gibt es diesen Untersuchungsausschuss nicht? Wenn man Vertrauen in Politik und Institutionen haben möchte und gerade wenn man das Vertrauen der Opfer in die Rechtsstaatlichkeit zurückgewinnen will, dann sollte man nicht warten, bis eine Wahl vorbei ist, sondern dann muss man diesen Ausschuss gleich einrichten. Deswegen sollten wir ihn wenigstens jetzt einrichten, und zwar bitte sehr schnell. Manchmal kann spät eben auch zu spät sein, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es geht um die Frage, was zu tun ist. Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz haben wir sehr schnell dafür gesorgt, dass hier im Parlament ein Gesetzentwurf zur Opferentschädigung beraten wurde. Leider wurde er nicht beschlossen. Schon im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von 2013 konnten wir lesen, dass die Regelungen zur Opferentschädigung geändert werden sollten. Die vier Jahre der Großen Koalition sind verstrichen. Aufgrund der Tatsache, dass bei einem Anschlag mit einem Auto, wie auf dem Breitscheidplatz geschehen, keine Opferentschädigung nach dem Gesetz erfolgt, sondern man in dem Fall eine Härtefallklausel braucht, ist es jetzt dringend notwendig, dieses Thema sehr schnell anzugehen. Genau deswegen stimmen wir diesem Antrag zu. Wir sind der Meinung, dass diese Menschen es verdient haben, dass es jetzt wirklich losgeht.

Ich weiß, wie schwierig es gerade ist, eine Bundesregierung zu bilden. Aber ich bitte darum, dass man nicht wartet, bis man mit der Regierungsbildung irgendwie weitergekommen ist. Lassen Sie uns das bitte jetzt machen. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass die Regelung geändert wird. Es gibt eine geschäftsführende Bundesregierung. In den zuständigen Ministerien sitzen Leute, die sich mit Opferentschädigung auskennen. Bitte legen Sie nicht nur diesen Antrag zum Jahrestag vor, sondern arbeiten Sie auch sofort los, damit diese Menschen Entschädigung erhalten, damit diese Menschen einen Ansprechpartner bekommen, damit sie wissen, woran sie sind. Warten wir bitte nicht, bis wieder etwas passiert und wieder über Opferentschädigung geredet werden muss. Das erwarte ich von Ihnen. Das erwarte ich auch von einer geschäftsführenden Bundesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich sage noch ein Wort zu solchen Zwischenfragen, wie ich sie eben von der AfD gehört habe. Wissen Sie was? Ich bin mir ganz sicher, dass diejenigen, die um ihre Angehörigen trauern, überhaupt keine Lust darauf haben, dass Sie ein parteipolitisches Scharmützel auf ihrem Rücken austragen, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der AfD: Wie bitte? – Was soll das denn heißen?)

Das geht nicht! Unterlassen Sie das! Unterlassen Sie das übrigens auch in Anbetracht der Würde der Opfer des Breitscheidplatzes gerade an diesem Tag, meine Damen und Herren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN – Widerspruch bei der AfD)