Rede von Dr. med. Paula Piechotta Orientierungsdebatte zur Impfpflicht

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26.01.2022

Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor allen Dingen: Liebe Frau Lindholz, ich möchte Sie nicht auffordern, ich möchte Sie einfach als Ärztin bitten, daran zu denken, dass es Themen und Debatten in diesem Haus gibt, die wichtiger als parteipolitische Profilierung sind. Darum bitte ich Sie. Es tut mir leid, dass ich damit hier so anfangen muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Spannende an dieser Debatte ist doch, egal wer von uns sie in den letzten Wochen in diesem Haus und außerhalb dieses Hauses geführt hat: Es geht fast niemand in diese Debatte ohne seinen ganz persönlichen Rucksack an Emotionen, an Perspektiven, auch an Dingen, die ihn persönlich in den letzten 24 Monaten wundgescheuert haben. Anzuerkennen, dass vor allen Dingen auch diese verschiedenen Perspektiven mit darüber entscheiden werden, was am Ende hier mehrheitsfähig ist, gehört doch an der Stelle zu einer ehrlichen Debatte dazu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Schauen wir uns an, wie unterschiedlich diese Perspektiven sind. Heute wird zum Beispiel Herr Kubicki hier gleich noch reden. Ich hatte gerade das Vergnügen, neben ihm zu sitzen. Seine Perspektive ist eine ganz andere als meine. Er kommt aus Schleswig-Holstein, einem Bundesland mit einer vergleichsweise guten Impfquote, das immer ziemlich gut durch die Pandemie gekommen ist. Da verstehe ich es, dass man zu der Überzeugung kommen kann, dass es keine Impfpflicht braucht. Aber dann muss man sich auch die andere Perspektive anhören, und die kommt im Fall meiner Person aus Sachsen. Sie wissen das: Unser Bundesland hat die mit Abstand schlechteste Impfquote.

(Zurufe von der AfD)

Wir sind mit unseren knapp über 60 Prozent näher an der tschechischen Impfquote als am bundesdeutschen Durchschnitt. Wir haben pro Kopf die meisten Toten, kurz vor Sachsen-Anhalt und Thüringen. Und vor allen Dingen ist es so, dass diese niedrige Impfquote mit dazu geführt hat, dass wir in den letzten Monaten besonders langwierige und besonders tiefgreifende Maßnahmen bei uns hatten. Das muss mitberücksichtigt werden. Ich will nicht, dass wir hier am Ende die Debatte „Wie berücksichtigen wir vor allem die Bundesländer, die gerade die schlechteste Impfquote haben?“ führen; denn wir brauchen am Schluss dieses Prozesses eine Regelung, die für alle Bundesländer funktioniert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Hier sind schon Punkte angesprochen worden, die vor allen Dingen die Umsetzbarkeit betreffen. Ich möchte darauf hinweisen, dass es bei der Umsetzung der Regelung einen großen Unterschied macht, ob in einem Bundesland noch 40 Prozent Ungeimpfte oder nur 20 Prozent wohnen.

Ich spreche heute als eine Vertreterin der Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, die vorschlagen, einen sogenannten Mittelweg zu gehen, obwohl ich mit dem Begriff nicht ganz glücklich bin. Dieser Mittelweg heißt: Wir machen eine Verpflichtung zur Impfung für Personen ab 50, für die besonders gefährdeten Gruppen; wir machen aber auch eine verpflichtende Impfberatung ab 18.

Es fällt mir natürlich nicht leicht, da zu sagen, dass das der beste Weg durch diese Krise und aus dieser Krise ist. Aber es ist auf jeden Fall so, dass wir hier versuchen, die gesellschaftlichen Nebenwirkungen, die dieses Medikament Impfpflicht auch haben kann, mitzudenken und zu minimieren.

Niemand kann Ihnen sagen – das kann ich jetzt nur noch anreißen –, ob wir tatsächlich diesen befriedenden Effekt in allen Bundesländern haben werden oder ob es nicht auch Radikalisierungstendenzen geben wird. Da reicht auch kein Glaube. Als Mensch, der in Sachsen lebt, kann ich nicht darauf vertrauen, dass es Befriedung geben wird; da muss ich mit einpreisen, dass es auch anders sein kann. Deswegen werbe ich für diesen anderen Weg.

Ich freue mich auf die nächsten Wochen mit Ihnen; denn das Schöne an dieser Debatte ist, dass es fast alle von uns eint, dass wir diese demokratische, gesundheitliche und soziale Zumutung, die diese Pandemie ist, endlich hinter uns bringen. Wir tragen fast alle in diesem Haus Verantwortung, egal ob hier oder in den Ländern. Deswegen freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: die Abgeordnete Dr. Alice Weidel aus der AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)