Rede von Dr. Janosch Dahmen Patente für Impfstoffe, Therapeutika und Tests zur weltweiten Eindämmung von Corona

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09.12.2021

Dr. Janosch Dahmen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich vorneweg sagen: Die globale Pandemiebekämpfung muss stärker in den Fokus unseres Engagements und unserer Aufmerksamkeit rücken. Insofern danken wir der Opposition, dass sie im Übergang von alter zu neuer Regierung dieses wichtige Thema aufgesetzt hat. Denn es ist völlig klar: Wir werden diese Pandemie nur beenden, wenn wir sie überall beenden. Hier müssen wir als wichtige und große Industrienation unserer globalen Verantwortung stärker als in der Vergangenheit gerecht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ich glaube aber auch, dass niemandem auf der Welt geholfen ist, wenn wir auf komplexe Probleme unterkomplexe Antworten geben oder schnelle Forderungen aufstellen, die am Ende des Tages nur eins bewirken, nämlich dass Probleme in Debatten abgeschoben werden, die in eine Sackgasse führen, und dass nicht nach tatsächlichen Lösungen gesucht wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Insofern ist, glaube ich, in der Phase, in der wir uns aktuell befinden, wichtig, dass wir uns unterschiedliche Problemdimensionen im Kontext der aktuellen Pandemie, im Kontext der Impfstoffe anschauen. Es gibt einerseits tatsächlich ein ethisches Problem beim Zugang zur Gesundheitsversorgung respektive beim Zugang zu den Impfstoffen. Es gibt eine epidemiologische Dimension, die, gerade wenn es um gemeinsame Anstrengungen und die konsequente Pandemiebekämpfung geht, weltweit sehr große Unterschiede erkennen lässt. Und wir haben tatsächlich im Bereich der Produktion, im Bereich logistischer Probleme große Defizite im Krisenmanagement, die es mit der internationalen Staatengemeinschaft dringend zu adressieren gilt.

Zum Einstieg das ethische Problem. Faktisch müssen wir im Moment tatsächlich feststellen, dass weltweit sechsmal mehr Menschen Auffrischimpfungen erhalten, als Menschen in den ärmeren Ländern Erst- und Zweitimpfungen erhalten. Das ist ein Problem, das wir angehen müssen; denn nur wenn wir es gemeinsam bekämpfen, kann es uns aus der Pandemie herausführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben aber tatsächlich auch ein epidemiologisches Problem. Wenn wir uns anschauen, wie unterschiedlich hoch Inzidenzen und Impfquoten weltweit verteilt sind und wie Omikron jetzt zum Brandbeschleuniger einer weltweiten Ausbreitung dieser Pandemie wird, die sich natürlich überall da entwickeln kann, wo Impfquoten niedrig sind, wo Inzidenzen hoch sind, dann sehen wir, dass wir bei der Verteilung des Impfstoffs und der Frage, wie der Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglicht wird, weltweit nicht genug getan haben.

Insofern ist die Frage nach Produktion und Logistik richtig; die Antwort, die Patente freizugeben, greift aber viel zu kurz. Konkret geht es doch darum, dass wir am Scheideweg einer Situation stehen, möglicherweise eines Jahrzehnts unterschiedlicher Pandemien und Epidemien, wo die Fähigkeit zur Skalierung von Impfstoff- und Medikamentenproduktionsprozessen – diese kritische Ressource – ein ganz wichtiger Punkt hier in Deutschland und Europa sein muss. Und das müssen wir gemeinsam angehen, nicht nur mit der Forderung nach Patentfreigaben, sondern mit der Ausweitung von Produktionsprozessen und einem weltweiten Logistik- und Verantwortungsnetz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir also näher hinschauen, dann sehen wir, dass in global vernetzten Lieferketten viele Teilaspekte – fehlende Fachkräfte; Komplexität von Produktion, was eben vom Kollegen Hennrich richtigerweise adressiert wurde; Verfügbarkeit von Lipiden, von Filtersystemen; unterschiedliche Produktionsmaterialien – darüber entscheiden werden, wie sehr sich Produktion skalieren lässt. Und wir sehen jetzt anhand der Erkenntnisse der letzten Tage, dass wir die bestehenden Impfstoffe in den nächsten zwei, drei Monaten kurzfristig werden anpassen müssen und einen riesigen Aufwuchs der Produktionskapazitäten brauchen. Da ist bisher nicht genug passiert. Das werden wir als neue Bundesregierung auch angehen. Vorausschauend geht es darum, in globaler Verantwortung mit den europäischen Nachbarstaaten diese Fähigkeiten nicht nur für die Bevölkerung in Europa, in Deutschland, sondern aus ureigenstem Interesse einer effektiven Pandemiebekämpfung auszuweiten.

Zum Thema Covax müssen wir sagen, dass wir nicht nur unseren Verpflichtungen dort mehr gerecht werden müssen; wir müssen auch das Verteilungsinstrument innerhalb von Covax unter die Lupe nehmen. Wir werden uns zusammen mit der neuen Bundesregierung dafür einsetzen, dass wir mit den internationalen Partnern diese Initiative ausweiten, verbindlicher machen, dass wir den Lieferverpflichtungen nachkommen und damit dann auch weltweit entsprechend besser helfen.

Zu guter Letzt: In drei Monaten steht das nächste Treffen der WTO-Staaten an. Und auch hier wird es darum gehen, dass wir uns in neuen Verhandlungen fragen: Wie können wir in internationalen Patenschaften dafür sorgen, dass diese kritischen Ressourcen ausgeweitet werden? Ich freue mich auf die Beratungen hierzu im weiteren Prozess. Ich bin mir sicher, dass Ihr Anliegen richtig ist; aber die Antworten sind komplexer als das, was Sie vorschlagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Dahmen. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Jörg Schneider, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)