Rede von Markus Kurth Preissteigerungen

23.06.2022

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was wir gegenwärtig insgesamt an Preisentwicklung sehen, ist tatsächlich einmalig für die Nachkriegszeit der Bundesrepublik Deutschland. Das wird jetzt auch nicht zu Ende sein. Vielmehr werden wir nach meiner Meinung, wie Finanzminister Christian Lindner richtig eingeschätzt hat, auch in den nächsten Jahren noch erhebliche Verwerfungen an den Märkten erleben, deren Folgen für Millionen Bürgerinnen und Bürger tatsächlich existenzielle Ängste bedeuten. In dieser Situation, in dieser wirklich epischen Krise, haben die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland eine ernsthafte und seriöse Debatte verdient. Dem werden der Antrag der Union und die Rede von Frau Klöckner und das, was wir von Herrn Spahn gehört haben, leider nicht im Ansatz gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Aber Ihre? Was ist denn das, was Sie hier gerade machen? – Zuruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])

Eine seriöse Debatte fängt aus meiner Sicht damit an, dass man sich im Rückblick auch mal mit den Ursachen beschäftigt. Wer hat uns denn in diese Abhängigkeit des Kremlfaschismus gebracht? Wer hat denn jahrzehntelang die Energiewende blockiert, ausgesessen und hintertrieben? Das waren doch Sie von der Union. Das hilft jetzt natürlich nicht – hätte, hätte, Fahrradkette –; aber ich finde, zu einer ehrlichen Reflexion der Situation gehört, dass man das nicht unter den Teppich kehrt und verschweigt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen Demut bei der Union! – Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Also, bei uns gab es nicht eine so hohe Inflation!)

Zu einer seriösen Debatte gehört auch, sich einfach mal die Fakten anzugucken bezüglich der Entlastungspakete dieser Regierung, dieser 30 Milliarden Euro.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Dann mal los! – Kay Gottschalk [AfD]: Ein Tropfen auf den heißen Stein!)

Jüngst ist eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung herausgekommen. Das sind ja nicht unbedingt die allerengsten Freunde aller Parteien, die in dieser Regierung sind. Aber sie zeigen in mehreren Fallbeispielen sehr klar, dass wir Familien mit einem geringen Einkommen relativ gezielt entlastet haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben ein Modellbeispiel angeführt, das ich hier mal nennen möchte. Bei einem Paar mit zwei Kindern und geringem Verdienst, also in der Spanne von 2 000 bis 2 600 Euro netto, werden die Preissteigerungen der letzten Monate durch die Entlastungspakete zu 90 Prozent ausgeglichen. Bei einem Geringverdienerhaushalt mit zwei Personen ohne Kinder beträgt der Ausgleich immerhin 78 Prozent. Das, finde ich, kann sich durchaus sehen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und wenn diese Haushalte dann vielleicht ihr Auto etwas öfter stehen lassen, sofern es denn ein ÖPNV-Angebot gibt – das könnte besser sein, wenn die Union in den letzten Jahren nicht die Verkehrsminister gestellt hätte –, und das 9‑Euro-Ticket nutzen,

(Kay Gottschalk [AfD]: Das ist Ländersache!)

kann man nach den Berechnungen des IMK sogar von 100 Prozent Ausgleich in diesem Bereich sprechen.

Es ist natürlich ein Kompromiss gewesen. Wir wissen selbst, dass es eine besondere Leerstelle gibt: Das sind die Rentnerinnen und Rentner bei der Energiepreispauschale. Aber man kann davon ausgehen – seien Sie gewiss –: Wenn wir weitere gezielte Entlastungen in den Blick nehmen,

(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Gut, dass wir darauf hingewiesen haben!)

dann werden wir die Rentnerinnen und Rentner nicht vergessen. Sie hingegen wollen mit der „Bekämpfung“ – wie Sie es nennen – der kalten Progression noch Menschen wie mich, die das überhaupt nicht nötig haben, unter eine warme Gelddusche stellen.

(Kay Gottschalk [AfD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Das werden wir uns in Zukunft nicht leisten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Als Ampelkoalition werden wir darauf achten, dass wir mit den Mitteln des Staates verantwortlich umgehen und gezielt entlasten. Das unterscheidet uns ganz wesentlich, und das ist auch der Unterschied zwischen uns im Hinblick auf Seriosität in politischen Angeboten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP] – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das können Sie aber besser! Das war ja jetzt nichts!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Maximilian Mordhorst, FDP-Fraktion, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)