Rede von Sven Lehmann Regelbedarfe und Leistungen an Asylbewerber*innen

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05.11.2020

Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der heute hier zur Abstimmung vorliegt, zementiert in der Tat Armut und soziale Ausgrenzung, und das mitten in der Coronakrise, wo die Ärmsten der Gesellschaft besonders hart getroffen sind. Dass Sie dieses Gesetz trotzdem so verabschieden wollen, ist eine Bankrotterklärung der Sozialpolitik der Großen Koalition, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind mitten in einer Krise, die nicht nur eine Pandemie ist, sondern auch eine Krise der sozialen Sicherung. Denn Millionen von Menschen in Deutschland sind nicht ausreichend abgesichert: Erwerbslose, Kinder, Rentnerinnen und Rentner, Geflüchtete. Schon in der ersten Welle waren Menschen in Armut besonders betroffen. Tafeln haben geschlossen. Lebensmittel wurden deutlich teurer. Nebenverdienste fielen weg. Deswegen gab es einen breiten Aufruf von Sozialverbänden, von Gewerkschaften, von Kinder- und Familienverbänden, die alle einen Aufschlag auf die Grundsicherung gefordert haben. Das haben Sie ignoriert

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wir haben die Mehrwertsteuer gesenkt!)

und gleichzeitig milliardenschwere Hilfspakete geschnürt. Wie erklären Sie aber bitte einer alleinerziehenden Mutter, die sich mit Grundsicherung und Minijobs durchschlägt, dass sie auch künftig leer ausgeht? Ich finde, das kann man nicht erklären. Das müssen wir hier und heute ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Als Begründung sagen Sie dann immer – das kam eben auch wieder von der CDU/CSU –, dass Sie Menschen nicht alimentieren wollen, sondern aus der Grundsicherung in den Arbeitsmarkt holen wollen. Erstens. Wie zynisch ist dieses Argument eigentlich angesichts von Corona, wo massenweise Arbeitsplätze wegfallen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zweitens. Wenn Sie das wollen, dann erhöhen Sie hier und heute oder in den nächsten Wochen den Mindestlohn. Da sind wir sofort dabei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dann schaffen Sie eine Kindergrundsicherung. Da sind wir sofort dabei. Aber solange wir das nicht haben, ist es doch so: Die Menschen in der Grundsicherung haben jetzt Hunger. Die Menschen müssen jetzt Winterkleidung für ihre Kinder kaufen. Die Menschen müssen jetzt ihre Stromrechnungen bezahlen. Wenn wir die Regelsätze jetzt nicht deutlich erhöhen, dann werden die Armen noch ärmer, und das dürfen wir nicht zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Und ja, bei vielen Anliegen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist es tatsächlich die Union, die auf der Bremse steht. Aber, liebe SPD, ihr könnt euch hier und heute nicht hinter der Union verstecken.

(Beifall der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])

Ihr seid mitverantwortlich; denn ihr habt nicht einmal versucht, die Regelsätze nennenswert zu erhöhen. Und das gilt vor allem für den Minister Hubertus Heil. So gut viele Dinge sind, die er in der Arbeitsmarktpolitik anpackt: Bei der Bekämpfung von Armut ist dieser Minister ein Totalausfall, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir Grüne werden Ihren Gesetzentwurf ablehnen. Wir werden ihn ablehnen, weil er methodisch schlecht ist, weil er keine Teilhabe garantiert, weil er Menschen in Armut ausgrenzt. Wir stellen heute unser eigenes Konzept zur Abstimmung. Wir wollen mit unserem Antrag verhindern, dass Menschen in der Grundsicherung abgehängt werden vom Rest der Gesellschaft. Mit unserem Modell garantieren wir Teilhabe und erfüllen den Auftrag der Verfassung, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Ihr Gesetz erfüllt leider beides nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Sven Lehmann. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Daniela Kolbe.

(Beifall bei der SPD)