Rede von Britta Haßelmann Regierungserklärung - Haushalt und Europäischer Rat

Foto von Britta Haßelmann MdB
13.12.2023

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viel Selbstvergewisserung für wenig, das war das Resultat der Rede von Friedrich Merz; das haben wir gerade gesehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Man hätte noch drei Minuten länger klatschen können.

Herr Merz, zum einen: Sie sollten nicht alles glauben, was in der „Bild“-Zeitung steht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie sollten sich einmal daran orientieren, was Bündnis 90/Die Grünen, die SPD und die FDP in sehr konstruktiven und verantwortungsvollen Gesprächen diskutieren.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht! Da müssen Sie selber lachen! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Da müssen Sie ja selber drüber lachen!)

Vieles ist geeint, einiges weniges noch offen. Im Januar wird der Gesetzentwurf in einem Gesamtpaket kommen. Da sind wir alle drei sehr zuversichtlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, Herr Merz hat hier gerade in Widersprüchlichkeit versucht, von eigenen Schwächen abzulenken. Erst erklärt er hier großmännisch, man könne noch nicht beurteilen, was in dem Statement vom Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister gesagt wurde, dann redet er sich aber frenetisch in Rage und sagt: Alles finanzpolitische Trickserei! – Ich finde, das passt nicht zusammen, Herr Merz. Da gibt es Widersprüche.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielleicht lassen Sie sich das mal erklären. Entweder Sie können nicht beurteilen, was die drei vorgeschlagen haben, oder Sie bilden sich Ihr Urteil am Ende – oder es steht schon fest.

Ziemlich schlecht war auch, dass Sie kein Wort zum Europäischen Rat gesagt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Darum geht es heute, meine Damen und Herren. Ich finde, ein Oppositionsführer, der sich hier so gibt, wird der Ernsthaftigkeit der Lage nicht gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Menschen nach Schuhgrößen zu beurteilen und dann so was hier abzuliefern, da passt was nicht.

Nun zur Sache.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Doch schon?)

Die Ampelkoalition hat eine tragfähige Lösung gefunden. Heute Morgen haben der Bundeskanzler, der Finanzminister und der Vizekanzler die Eckpunkte vorgestellt.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Geht es jetzt um den Europäischen Rat, Frau Haßelmann?)

Meine Damen und Herren, das ist eine wichtige Nachricht für dieses Land. Denn im Land warten sehr viele Bürgerinnen und Bürger, warten die Unternehmen, wartet die Wirtschaft, die Industrie,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, auf wen denn?)

warten viele Nichtregierungsorganisationen und Verbände selbstverständlich darauf, dass wir nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, nach der Auswertung dieses Urteils, jetzt auch einen Vorschlag unterbreiten. Das ist heute erfolgt. Das ist alles andere als Ihr Mimimi, das ist Handlungsfähigkeit dieser Regierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir haben uns auf einen Haushalt 2024 geeinigt. Wir schaffen Sicherheit und Stabilität. Es wird Investitionen in Wettbewerbsfähigkeit geben. Und anders als Sie, Herr Merz, glauben auch sehr viele Ministerpräsidenten der CDU, die in Regierungsverantwortung sind, dass das dringend notwendig ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als Oppositionsführer kann man sich das vielleicht erlauben. Als Ministerpräsident – zum Beispiel meines großen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, oder auch vier, fünf andere, zum Beispiel Kai Wegner, Stadtstaat Berlin – kann man das nicht. Deshalb tragen die Ministerpräsidenten, die in Regierungsverantwortung sind, alle dazu bei, Verantwortung zu übernehmen, stellen sich Diskussionen und sagen: Dieses Land braucht Zukunftsinvestitionen. Dazu braucht es auch eine Reform der Schuldenbremse, der Sie sich verweigern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Starker Klimaschutz durch Erhalt zentraler Projekte aus dem KTF wird nach diesen Vorschlägen möglich sein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist ein wichtiges Signal an die Bundesländer, an die Unternehmen, an die Wirtschaft, die sich auf den Weg der ökologischen und sozialen Transformation gemacht haben.

Und, meine Damen und Herren: Wir stärken den sozialen Zusammenhalt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Indem ihr die Abgaben erhöht! Benzinpreis rauf! Strompreis rauf!)

Es ist vollkommen klar, dass es eben kein Rasieren, keine Kürzungen mit der Rasenmähermethode – wie wenn es nach Ihnen gegangen wäre – bei den Schwächsten im Land geben kann, beim Bürgergeld oder anderswo. Das ist ein klares Signal dieser Ampelkoalition, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir werden den Abbau der klimaschädlichen Subventionen angehen. Das ermöglicht uns an anderer Stelle Spielräume im Haushalt. Das sind zwei wichtige Signale: Ausgaben sichern für wichtige Projekte im Bundeshaushalt, die den sozialen Zusammenhalt und das Miteinander stärken, und gleichzeitig an der ökologischen Transformation und am Abbau ökologisch schädlicher Subventionen arbeiten. Das hat die Ampel gut gemacht, meine Damen und Herren. Das ist ein wichtiges Signal,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

genauso wie das Signal, das heute von der internationalen COP 28 ausgeht. Danke an Annalena Baerbock, an alle Ministerinnen und Minister, die dazu beigetragen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es hat sich gelohnt, beharrlich zu sein. Es hat sich gelohnt, nachzuverhandeln. Denn klar ist am Ende dieser COP, dass die Staatengemeinschaft sich darauf verständigt, den Ausstieg aus den Fossilen zu beschließen. Das ist ein wirklich wichtiges Signal an Europa, auch für den Europäischen Rat. Es ist ein wichtiges Signal für alle beteiligten Staaten, auch die Unterstützung, die signalisiert wurde. Und es ist ein wichtiges Signal an die künftigen Generationen, meine Damen und Herren: Wir meinen es ernst mit der Frage des Ausstiegs aus den Fossilen, mit der Klimaneutralität, auf deren Weg wir uns begeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben das 16 Jahre lang versäumt – das wissen Sie ganz genau – und tragen doppelte Verantwortung dafür.

Meine Damen und Herren, nun noch mal zum Europäischen Rat, zur Ukraine. Wer von uns erinnert sich nicht – ich sehr genau –, wie es war, als wir am 24. Februar letzten Jahres und in den folgenden Tagen, wenn wir als Wahlkreisabgeordnete hier in Berlin angekommen sind, auf den Bahnhöfen die Menschen gesehen haben, die hier in Nachtzügen angekommen sind, die vielleicht alle gedacht haben: „In acht Wochen, in drei Monaten bin ich wieder zu Hause, wieder mit meiner Familie vereint“?

Mir bricht es manchmal wirklich das Herz, wenn ich mir vorstelle, dass die Menschen – die Kinder, die älteren Menschen, die wir gesehen haben –, die nur 1 200 Kilometer entfernt von Berlin gelebt haben – näher als Madrid und viele andere Städte, die uns einfallen, in denen wir in Europa ein und aus gehen, in denen wir in Demokratien frei und selbstbestimmt leben können –, jetzt schon im zweiten Kriegswinter hier sind und darum bangen, dass ihre Männer und Familien in diesem Krieg nicht ermordet, nicht getötet werden, ob ihr Haus vielleicht noch steht oder die Stadt komplett zerstört ist. Das ist die Lebenswirklichkeit von Menschen aus und in der Ukraine – dieses Leid, die Zerstörung –, und ich kann nur an alle appellieren, nicht kriegsmüde zu werden, sich nicht zu gewöhnen an das, was dort stattfindet.

(Stephan Brandner [AfD]: „Frieden schaffen ohne Waffen“, oder? – Peter Boehringer [AfD]: Wo sind die Grünen hingekommen? – Jörn König [AfD]: „Keine Waffen in Kriegsgebiete“!)

Es ist schlimm; niemand von uns will Krieg. Aber Putin ist derjenige, der seinen brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine sofort beenden könnte. Mit einem Handstrich könnte er ihn beenden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Es geht nicht um einen Waffenstillstand oder einen Diktatfrieden, der der Ukraine aufoktroyiert wird. Putin ist der Verantwortliche für diesen brutalen Krieg. Und wir, meine Damen und Herren, sind in der Verantwortung, mit den Bürgerinnen und Bürgern darum zu ringen und darüber zu reden, dass es hier nicht nur um die Ukraine geht, nicht nur um die Freiheit und die Demokratie in ihrem Land.

(Stephan Brandner [AfD]: Es geht auch um die Grünen, oder?)

Es geht um einen Angriff auch auf Europa, auf unsere Sicherheits- und Friedensordnung. Deshalb müssen wir alles tun, um die Ukraine humanitär, wirtschaftlich und mit Waffen zu unterstützen und selbstverständlich schon jetzt die Wiederaufbaukonferenz im nächsten Jahr vorzubereiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich weiß, dass viele Menschen sich wünschen, dass dieser Krieg aufhört. Aber er hört nicht einfach auf, indem die Ukraine bedingungslos aufgibt. Das ist keine Alternative, meine Damen und Herren. Und wir sehen doch, dass es um viel mehr geht als nur um die Ukraine. Wir sehen, wie besorgt die Balten sind, was in Moldau los ist. Deshalb braucht es auch eine Beitrittsperspektive zur EU, und zwar ganz schnell.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Deshalb finde ich es gut, Herr Bundeskanzler, dass klar ist, dass auch das zentral beim Europäischen Rat diskutiert wird; denn diese Zuversicht und diese Perspektive müssen wir Moldawien, müssen wir der Ukraine und selbstverständlich auch den Westbalkanstaaten geben. Ich bin davon überzeugt. Deshalb: Ich wünsche gute Verhandlungen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das war ja gar nichts! Das war peinlich!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Tino Chrupalla.

(Beifall bei der AfD)